1. An- und Auskleiden

Die Dialektik von Ankleiden und Enthüllen, von Verbergen durch Kleidung und Entblößen ist ein zentrales Motiv aller drei Filmadaptionen von Fräulein Else. Es steht im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Konventionen und den Gesetzen anständigen Verhaltens, mit denen Else in Konflikt gerät und an denen sie schlussendlich durch ihre Entblößung scheitert. Das Motiv von Kleidung und Enthüllung ist aber auch ein Hinweis auf bzw. eine Kritik an dem versteckten voyeuristischen Verlangen Dorsdays oder des Filmzuschauers.

2. Sehen und Gesehen-Werden

Das Motiv des Sehens wird in jedem Film auf eigene Weise aufgegriffen, steht aber überall im Mittelpunkt: Es geht stets um die Introspektion in Elses Innenleben, aber auch um gesellschaftliches Ansehen im übertragenen Sinne. Bei der Verfilmung von Boutron wird Elses Spiel mit dem männlichen Blick sowohl sprachlich als auch durch Beobachterpositionen (der Filou als stummer Voyeur) hervorgehoben. Stets wird Else von der Gesellschaft beobachtet, ist aber selbst auch Schauende. In Häussermanns Verfilmung wird das Motiv Sehen durch das Mittel der subjektiven Kamera betont. Dabei ist der Zuschauer zugleich Beobachter und Voyeur und wird als solcher auch vom Film antizipiert.

3. Spiegel

Der Spiegel ist in allen drei Verfilmungen wichtigstes Schlüsselbild. Wenn Else sich im Spiegel sieht, steht dies einerseits im Zusammenhang mit dem Ausdruck ihres Innenlebens: der Spiegel erscheint als Medium der Selbstreflexion. Außerdem ermöglicht die filmische Arbeit mit Spiegeln komplexe Blickstrukturen und mediale Auseinandersetzung mit dem Thema ‚Sehen und Gesehen-Werden‘. Bei Czinner kann das Spiegelbild von Personen auch als Hinweis auf die Oberflächlichkeit der Gesellschaft und im Sinne einer Vorspiegelung falscher Tatsachen verstanden werden. Häussermann nutzt den Spiegel zum einen, um Else im Modus der subjektiven Kamera im Wechselspiel von Selbst- und Fremdbeobachtung zeigen zu können. Andererseits zeigt die mehrfache Spiegelung der Protagonistin ihre innere Zerrissenheit. Boutron beschränkt das Motiv nicht auf den klassischen Wandspiegel, sondern bezieht andere reflektierende Oberflächen (Teich, Karaffe) ein und synthetisiert auf diese Weise mehrere Schlüsselbilder.

4. Rahmen

Viele Tür-, Fenster-, oder Spiegelrahmen werden in den drei Adaptionen in der Komposition der Filmbilder in den Vordergrund gestellt. Else befindet sich oft innerhalb von Rahmensystemen oder wird durch sie fragmentiert, sodass ihr Spielraum begrenzt erscheint. Im übertragenen Sinne steht der Rahmen für die Einengung durch gesellschaftliche Restriktionen, welche zu Elses Identitätskonflikt und schlussendlicher Selbstaufgabe führen. Gleichzeitig kann der Rahmen aber auch als Ausblick auf etwas oder als Artikulationsraum für Imaginäres dienen: Elses Träume und Ängste bei Boutron werden stets durch Rahmen eingeleitet (filmisches Gegenmodell).

5. Bett

Das Bett wird in zwei der drei Filme (bei Czinner und Boutron) schon früh als privat-intimer Ort eingeführt, auf dem Elses Vater angesichts seiner massiven Schulden und dem drohenden gesellschaftlichen Absturz zusammenbricht und verzweifelt liegen bleibt. Damit wird es als Hinweis auf Elses späteren Tod im Bett vorweggenommen bzw. auch bei Häussermann mehrfach aufgegriffen als Vorausdeutung auf das Ende der Protagonistin.

6. Glas

Das leere Glas, aus dem Else das Veronal getrunken hat, steht in allen Adaptionen als Zeichen für Elses Leben, das „zur Neige geht“ bzw. sogar zerbricht (zerbrochenes Glas wird v.a. bei Boutron exzessiv eingesetzt und achtmal in verschiedenen Situationen gezeigt). Das Glas wird überall durch ähnliche filmische Mittel inszeniert (Nahaufnahme), bei Häussermann steht das Auflösen der Veronal-Tabletten sinnbildlich für das sich auslöschende Leben Elses.

7. Klavier und Musik

Klaviermusik bildet ein wichtiges Leitmotiv der Novelle und wird deshalb in jeder Verfilmung thematisiert. Die besondere Rolle des Mediums Musik wird schon in der Novelle deutlich durch die abgedruckten Noten von Schumanns Carnaval.