„Du willst wirklich nicht mehr weiterspielen, Else?“ ‐ „Nein, Paul, ich kann nicht mehr. Adieu. del#1‐ Auf Wiedersehen, gnädige Frau.“ ‐ „Aber, Else, sagen Sie mir doch: Frau Cissy. ‐ Oder lieber noch: Cissy, ganz einfach.“ ‐ „Auf Wiedersehen, Frau Cissy.“ ‐ „mod#1Aber warum gehen Sie denn schon, Else?Aber Else, warum gehen Sie denn schondel#2,? Es sindadd#1 doch noch del#2volle zwei Stunden bis zum Dinner.“ ‐ „add#2Nein, nein. Spielen Sie nur Ihr Single mit Paul, Frau Cissy, mit mir istdel#3’s doch heut’ wahrhaftig kein Vergnügen.del#4“ ‐ „Lassen Sie sie, gnädige Frau, sie hat heut’ ihren ungnädigen Tag. ‐ Steht dir übrigens ausgezeichnet zu Gesicht, das Ungnädigsein, Else. ‐ Und der rote Sweater noch besser.“ ‐ „Bei Blau wirst du hoffentlich mehr Gnade finden, Paul.add#3 Wiedersehen. Adieu.“
del#5Das war ein ganz guter Abgang. Hoffentlich glauben die Zwei nicht, daß ich eifersüchtig bin. ‐ Daß subst#1siedie was miteinander haben, Cousin Paul und Cissy Mohr, daraufdrauf schwör’ ich. add#4Ach Gott! Nichts auf der Welt ist mir gleichgültiger.del#6 ‐ Nun wende ich mich noch einmal um und winke ihnen zu. Winke und lächle. Sehe ich nun gnädig aus? ‐ Ach Gott, sie spielen schon wieder. Eigentlich spiele ich besser als Cissy Mohr; und Paul ist auch nicht gerade ein Matador. Aber gut sieht er aus — mit dem offenen Kragen und dem Bösen-Jungen-Gesicht. Wenn er nur weniger affektiert wäre. Brauchst keine Angst zu haben, Tante Emma...
Was für ein wundervoller Abendadd#5 heute! mod#2Heut’ wär’ das richtige Wetter gewesen für die Tour auf die Rosetta-Hütte. Wie herrlich der Cimone in den Himmel ragt!Wie herrlich der Cimone in den Himmel ragt! Heut’ wär’ das richtige Wetter gewesen für die Tour auf die Rosetta-Hütte. del#7‐ Um fünf Uhr früh wär’ man aufgebrochen. Anfangs wär’ mir natürlich übel gewesen, wie gewöhnlich. Aber das verliert sich. ‐ Nichts köstlicher als das Wandern im Morgengrauen. ‐ Derdel#8 einäugige Amerikaneradd#6 voriges Jahr auf der Rosettaadd#7, der shift#1Feature: voice; New State: laughhat ausgesehen wie ein Boxkämpfer.shift#2Feature: voice; New State: normaldel#9 Vielleicht hat ihn beim Boxen wer das Aug’ ausgeschlagen. Nach Amerika würd’ ich ganz gern heiraten, aber keinen Amerikaner. Oder ich heirat’heirate einen Amerikaner und wir leben in Europa. Villa an der Riviera. shift#3Feature: tempo; New State: lMarmorstufen ins Meer. Ich liege nackt auf dem Marmor.shift#4Feature: tempo; New State: normaldel#10 ‐ Wie lang ist’s her, daß wir in Mentone waren? Sieben oder acht Jahre. Ich war dreizehn oder vierzehn. Ach ja, damals waren wir noch in besseren Verhältnissen. ‐ Es war eigentlich ein Unsinn die Partie aufzuschieben. Jetzt wären wir jedenfalls schon zurück. ‐ Um vier, wie ich zum Tennis gegangen bin, war der telegraphisch angekündigte Expreßbrief von Mama noch nicht da. Wer weiß, ob jetzt. Ich hätt’ noch ganz gut ein Set spielen können. ‐ Warum grüßen mich diese zwei jungen Leute? Ich kenn’ sie gar nicht. Seit gestern wohnen sie im Hotel, sitzen beim Essen links am Fenster, wo früher die Holländer gesessen sind. Hab’ ich ungnädig gedankt? Oder gar hochmütig? Ich bin’s ja gar nicht. Wie sagte Fred auf dem Weg vom ‚Coriolan‘ nach Hause? Frohgemut. Nein, hochgemut. Hochgemut sind Sie, nicht hochmütig, Else. ‐ Ein schönes Wort. Er findet immer schöne Worte. ‐ Warum geh’ ich add#8denn so langsam? Fürcht’ ich mich am Ende vor shift#5Feature: voice; New State: laughMamasadd#9 angekündigtem Brief?shift#6Feature: voice; New State: normaldel#11 Nun, Angenehmes wird er wohl nicht enthalten. Expreß! Vielleicht muß ich wieder zurückfahren. subst#4O wehAch Gott. Was für ein Leben — del#12trotz rotem Seidensweater und Seidenstrümpfen. Drei Paar! Die arme Verwandte, von der reichen Tante eingeladen.del#13 Sicher bereut sie’s schon.add#10 Brauchst keine Angst haben, teure Tante. Soll mod#3ich’s dirich dir’s schriftlich gebendel#14, teuere Tante, daß ich anadd#11 deinen Paul nicht im Traum denke? del#15Ach, aAn niemandenniemand’ denkedenk’ ich. Ich bin nicht verliebt.add#12 Gott sei Dank. In niemandenniemand’. Undadd#13 ich war noch nie verliebt.add#14 Gott sei Dank.del#16 Auch in Albert bin ich’s nicht gewesen, obwohl ich es mir acht Tage lang eingebildet habe. Ich glaube, ich kann mich nicht verlieben. Eigentlich merkwürdig. Denn sinnlich bin ich gewiß. Aber auch hochgemut und ungnädig Gott sei Dank. Mit dreizehn war ich vielleicht das einzige Mal wirklich verliebt. In den Van Dyck — oder vielmehr in den Abbé Des Grieux, und in die Renard auch. Und wie ich sechzehn war, am Wörthersee. ‐ Ach nein, das war nichts. Wozu nachdenken, ich schreibe ja keine Memoiren. Nicht einmal ein Tagebuch wie die Bertha. Fred ist mir sympathisch, nicht mehr. Vielleicht, wenn er eleganter wäre. Ich bin ja doch ein Snob. Der Papa findet’s auch und lacht mich aus. Ach, lieber Papa, du machst mir viel Sorgen. Ob er die Mama einmal betrogen hat? Sicher. Öfters. Mama ist ziemlich dumm. Von mir hat sie keine Ahnung. Andere Menschen auch nicht. Fred? ‐ Aber eben nur eine Ahnung. ‐ add#15Ein Hhimmlischer Abendadd#16 heute.del#17 Wie festlich das Hotel aussieht. Man spürt: Lauter Leute, denen es gut geht und die keine Sorgen haben. Ich zum Beispiel. Haha! Schad’. Ich wär’ zu einem sorgenlosen Leben geboren. Es könnt’ so schön sein. Schad’. ‐ Auf dem Cimone liegt ein roter Glanz. Paul würde sagen: Alpenglühen. add#17Aber Ddas ist noch lang’ shift#7Feature: voice; New State: laughkein Alpenglühen.shift#8Feature: voice; New State: normaldel#18 Es ist zum Weinen schön. Ach, warum muß man wieder zurück in die Stadt!
del#19„Guten Abend, Fräulein Else.“ ‐ „Küss’ die Hand gnädige Frau.“ ‐ „Vom Tennis?“ ‐ Sie sieht’s doch, warum fragt sie? „Ja, gnädige Frau. Beinah’ drei Stunden lang haben wir gespielt. ‐ Und gnädige Frau machen noch einen Spaziergang?“ ‐ „Ja, meinen gewohnten Abendspaziergang. Den Rolleweg. Der geht so schön zwischen den Wiesen, bei Tag ist er beinahe zu sonnig.“ ‐ „Ja, die Wiesen hier sind herrlich. Besonders im Mondenschein von meinem Fenster aus.“ ‐
„Guten Abend, Fräulein Else. ‐ del#20Küss’ die Hand, gnädige Frau.“ ‐ shift#9Feature: pitch; New State: high„add#18Ah! Guten Abend, Herr von Dorsday.“shift#10Feature: pitch; New State: normal ‐ „Vom Tennis, Fräulein Else?“ ‐ „shift#11Feature: voice; New State: laughadd#19Ja. Was für ein Scharfblick, Herr von Dorsday.“shift#12Feature: voice; New State: normal ‐ „Spotten Sieadd#20 doch nichtadd#21 immer, add#22Fräulein Else.del#21“ ‐ Warum sagt er nicht ‚Fräulein Else‘? ‐ „ Wenn man mit dem Rakettadd#24 in der Hand so gut ausschautadd#25 wie Sie, darf man subst#11esdas gewissermaßen auch als Schmuck tragen.“ ‐ Esel, daraufdrauf antworteantwort’ ich gar nicht. del#22„Den ganzen Nachmittag haben wir gespielt. Wir waren leider nur Drei. Paul, Frau Mohr und ich.“ ‐ „Ich war früher ein enragierter Tennisspieler.“ ‐ „Und jetzt nicht mehr?“ ‐ „Jetzt bin ich zu alt dazu.“ ‐ „Ach, alt, in Marienlyst, da war ein fünfundsechzigjähriger Schwede, der spielte jeden Abend von sechs bis acht Uhr. Und im Jahr vorher hat er sogar noch bei einem Turnier mitgespielt.“ ‐ „Nun, fünfundsechzig bin ich Gott sei Dank noch nicht, aber leider auch kein Schwede.“ ‐ Warum leider? Das hält er wohl für einen Witz. Das Beste, ich lächle höflich und gehe. „del#23Küss’ die Hand, gnädige Frau. subst#14AdieuWiedersehen, Herr von Dorsday.“ Wie tief er sich verbeugt und was für Augen er macht. add#26Die reinen shift#13Feature: voice; New State: laughKalbsaugen.shift#14Feature: voice; New State: normal del#24Hab ich ihn am Ende verletzt mit dem fünfundsechzigjährigen Schweden? Schad’t auch nichts. Frau Winawer muß eine unglückliche Frau sein. Gewiß schon nah an fünfzig. Diese Tränensäcke, — als wenn sie viel geweint hätte. Ach wie furchtbar, so alt zu sein. Herr von Dorsday nimmt sich ihrer an. Da geht er an ihrer Seite. Er sieht mod#4noch immerimmer noch ganz gut ausdel#25 mit dem graumelierten Spitzbart. Aber sympathisch ist er nicht. del#26Schraubt sich künstlich hinauf. Was hilft Ihnen Ihr erster Schneider, Herr von Dorsday? Dorsday! Sie haben sicher einmal anders geheißen. ‐ Da kommt das süße kleine Mädel von Cissy mit ihrem Fräulein. ‐ „Grüß dich Gott, Fritzi. Bonsoir, Mademoiselle. Vous allez bien?“ ‐ „Merci, Mademoiselle. Et vous?“ ‐ „Was seh’ ich, Fritzi, du hast ja einen Bergstock. Willst du am End’ den Cimone besteigen?“ ‐ „Aber nein, so hoch hinauf darf ich noch nicht.“ ‐ „Im nächsten Jahr wirst du es schon dürfen. Pah, Fritzi. A bientôt, Mademoiselle.“ ‐ „Bonsoir, Mademoiselle.“
del#27Eine hübsche Person. Warum ist sie eigentlich Bonne? Noch dazu bei Cissy. Ein bitteres Los. Ach Gott, kann mir auch noch blühen. Nein, ich wüßte mir jedesfalls was Besseres. Besseres? ‐ add#27Ach! Ein Kköstlicher Abend. add#28Wirklich. del#28 ‚subst#16DieDiese Luftadd#29 hier —del#29 ist wie Champagnerdel#30‘, sagte gestern Doktor Waldberg. Vorgestern hat es auch einer gesagt. ‐ add#30Aber Wwarum die Leute bei dem wundervollen Wetter in der Halle sitzen? add#31Das ist mir Uunbegreiflich. Oder wartet jeder auf einen Expreßbriefadd#32 von seiner Mama? Der Portier hat mich schon gesehen; ‐ wenn ein Expreßbrief für mich da wäre, hättehätt’ er mod#5mir ihnihn mir sofort hergebracht. Alsoadd#33 ist keiner da. Gott sei Dank. add#34Da mod#6Ich werde werdewerd’ ich mich noch ein bißl hinlegen vor dem DinerDinner.del#31 Warum sagt Cissy ‚Dinner‘? Dumme Affektation. Passen zusammen, Cissy und Paul. ‐ Ach, wär’ der Brief lieber schon da. Am Ende kommt er während des ‚Dinner‘. Und wenn er nicht kommt, hab’ ich eine unruhige Nacht. Auch die vorige Nacht hab’ ich so miserabel geschlafen. Freilich, es sind gerade diese Tage. Drum hab’ ich auch das Ziehen in den Beinen. Dritter September ist heute. Also wahrscheinlich am sechsten. Ich werde heute Veronal nehmen. O, ich werde mich nicht daran gewöhnen. Nein, lieber Fred, du mußt nicht besorgt sein. In Gedanken bin ich immer per Du mit ihm. ‐ Versuchen sollte man alles, — auch Haschisch. Der Marinefähnrich Brandel hat sich aus China, glaub’ ich, Haschisch mitgebracht. Trinkt man oder raucht man Haschisch? Man soll prachtvolle Visionen haben. Brandel hat mich eingeladen mit ihm Haschisch zu trinken oder — zu rauchen — Frecher Kerl. Aber hübsch. ‐
shift#15Feature: loud; New State: f„Bitte sehr, Fräulein, ein Brief.“ ‐ shift#16Feature: loud; New State: normaldel#32Der Portier! Also doch! ‐ Ich wende mich ganz unbefangen um. Es könnte auch ein Brief von der Karoline sein oder von der Bertha oder von Fred oder Miß Jackson? „Danke schön.“ Doch von Mama. Expreß. Warum sagt er nicht gleich: ein Expreßbrief? „O, ein Expreß!“ add#35Aha. Ich mach’ ihn erst auf dem’m Zimmer auf und les’ ihn in aller Ruhe. ‐ add#36Da sitzt Ddie Marchesa. Wie jung subst#24siedie im Halbdunkel add#37der Halle aussieht. add#38Die ist doch Ssicher fünfundvierzig. Wo werd’ ich mit fünfundvierzig sein? Vielleicht schon tot. Hoffentlich. Sie lächelt michadd#39 immer so nett andel#33, wie immer. del#34Ich lasse sie vorbei, nicke ein wenig, — nicht als wenn ich mir eine besondere Ehre daraus machte, daß mich eine Marchesa anlächelt. ‐ shift#17Feature: pitch; New State: high„Buona sera.“shift#18Feature: pitch; New State: normal ‐del#35 Sie sagt mir buona sera. Jetzt muß ich mich doch wenigstens verneigen. War das zu tief? Sie ist ja um so viel älter. Was für einen herrlichen Gang sie hat. Ist sie geschieden? Mein Gang ist auch schön. Aber — ich weiß es. Ja, das ist der Unterschied. ‐ Ein Italiener könnte mir gefährlich werden. Schade, daß der schöne Schwarze mit dem Römerkopf schon wieder subst#26fortabgereist ist. ‚Er sieht aus wie ein Filou‘, subst#27sagtesagt Paul. Ach Gott, ich hab’ nichts gegen shift#19Feature: voice; New State: laughFilousshift#20Feature: voice; New State: normal, im Gegenteil. ‐ So, da wär’ ich. add#40Zimmer subst#28NummerNumero siebenundsiebzig.add#41 Is’ Eeigentlich eine Glückssubst#30nummerzahl. add#42Ganz Hhübsches Zimmer. Zirbelholz. Dort steht mein jungfräuliches Bett. ‐ shift#21Feature: loud; New State: f add#43Ah! subst#32NunJetzt ist subst#33esdas richtig ein Alpenglühen geworden.add#44shift#22Feature: loud; New State: normal Herrlich! del#36Aber Paul gegenüber werde ich es abstreiten. Eigentlich ist Paul schüchtern. Ein Arzt, ein Frauenarzt! Vielleicht gerade deshalb. Vorgestern im Wald, wie wir so weit voraus waren, hätt’ er schon etwas unternehmender sein dürfen. Aber dann wäre es ihm übel ergangen. Wirklich unternehmend war eigentlich mir gegenüber noch niemand. Höchstens am Wörthersee vor drei Jahren im Bad. Unternehmend? Nein, unanständig war er ganz einfach. Aber schön. Apoll vom Belvedere. Ich hab’ es ja eigentlich nicht ganz verstanden damals. Nun ja mit — sechzehn Jahren. add#45Meine Wiese! Meine himmlische Wiese! del#37Meine —! Wenn man sich die nach Wien mitnehmen könnte.del#38 Zarte Nebel. Herbst? Nun ja, dritter September, Hochgebirge.
del#39Nun, shift#23Feature: tempo; New State: lFräulein Elseshift#24Feature: tempo; New State: normal, möchten Sie sich nicht doch entschließen, subst#34denIhren Brief zu lesen? Er muß sich ja gar nicht auf den Papa beziehen.del#40 Könnte es nicht auch etwas mit meinem Bruder sein? Vielleicht hat er sich verlobt mit einer seiner Flammen? Mit einer Choristin oder einem Handschuhmädel. Ach nein, dazu ist er wohl doch zu gescheit. Eigentlich weiß ich ja nicht viel von ihm. Wie ich sechzehn war und er einundzwanzig, da waren wir eine Zeitlang geradezu befreundet. Von einer gewissen Lotte hat er mir viel erzählt. Dann hat er plötzlich aufgehört. Diese Lotte muß ihm irgend etwas angetan haben. Und seitdem erzählt er mir nichts mehr. ‐ Nun ist er offen, der Brief, und ich hab’ gar nicht bemerkt, daß ich ihn aufgemacht habe. Ich setzesetz’ mich aufs Fensterbrett und leseles’ ihn.add#46 Los, los.del#41 Achtgeben, daß ich nicht hinunterstürze. Wie uns aus San Martino gemeldet wird, hat sich dort im Hotel Fratazza ein beklagenswerter Unfall ereignet. Fräulein Else T., ein neunzehnjähriges bildschönes Mädchen, Tochter des bekannten Advokaten... Natürlich würde es heißen, ich hätte mich umgebracht aus unglücklicher Liebe oder weil ich in der Hoffnung war. Unglückliche Liebe, ah nein.
del#42‚Mein liebes Kind‘ ‐ Ich will mir vor allem den Schluß anschaun. ‐ ‚Also nochmals, sei uns nicht böse, mein liebes gutes Kind und sei tausendmal‘ ‐ Um Gottes willen, sie werden sich doch nicht umgebracht haben! Nein, — in dem Fall wär’ ein Telegramm von Rudi da. ‐ ‚Mein liebes Kind, du kannst mir glauben, wie leid es mir tut, daß ich dir in deine schönen Ferialwochendel#43‘ ‐ Als wenn ich nicht immer Ferien hätt’, leider ‐ ‚ mit einer so unangenehmen Nachricht hineinplatze.‘ ‐ Einen furchtbaren Stil schreibt Mama ‐ ‚Aber nach reiflicher Überlegung bleibt mir wirklich nichts anderes übrig. Also, kurz und gut, die Sache mit Papa ist akut geworden.add#48‘ - Aha. - ‚ Ich weiß mir nicht zu raten, noch zu helfen.del#45‘ ‐ Wozu die vielen Worte? ‐ ‚ Es handelt sich um eine verhältnismäßig lächerliche Summe — dreißigtausend Gulden,‘ ‐ subst#37lächerlichlächerliche Summe? ‐ ‚die in drei Tagen herbeigeschafft sein müssen, sonst ist alles verloren,‘ ‐ Um Gottes willen, was heißt das? ‐ ‚Denk’ dir, mein geliebtes Kind, daß der Baron Höning‘ ‐ subst#38wiewas, der Staatsanwalt? ‐ ‚sich heut’ früh den Papa hat kommen lassen. Du weißt ja, wie der Baron den Papa hochschätzt, ja geradezu liebt. Vor anderthalb Jahren, damals, wie es auch an einem Haar gehangen hat, add#50da hat er persönlich mit den Hauptgläubigern gesprochen und die Sache noch im letzten Moment in Ordnung gebracht. Aber diesmal ist absolut nichts zu machen, wenn das Geld nicht subst#39beschafftherbeigeschafft wird. Und abgesehen davon, daß wir alle ruiniert sind, wird es ein Skandal, wie er noch nicht da war. Denk’ dir, ein subst#40AdvokatAnwalt, ein berühmter Advokat, — der, — nein, ich kann es gar nicht niederschreiben. Ich kämpfe immer mit den Tränen. Du weißt ja, Kind, du bist ja klug, wir waren ja, Gott sei’s geklagt, schon ein paar Mal in einer ähnlichen Situationdel#46 und die Familie hat immer herausgeholfen. Zuletzt hat es sich gar um hundertzwanzigtausend gehandelt. Aber damals hat der Papa einen Revers unterschreiben müssen, daß er niemals wieder an die Verwandten, speziell an den Onkel Bernhard, herantreten wird.‘ ‐ Na weiter, weiter, wo will denn das hin? Was kann denn ich dabei tun? ‐ ‚Der Einzige, an den man eventuell noch denken könnte, wäre der Onkel Viktor, der befindet sich aber unglücklicherweise auf einer Reise zum Nordkap oder nach Schottland‘ ‐ Ja, der hat’s gut, der ekelhafte Kerl ‐ ‚und ist absolut unerreichbar, wenigstens für den Moment. An die Kollegen, speziell Dr. Sch., der Papa schon öfter ausgeholfen hat,‘ ‐ Herrgott, wie stehn wir da ‐ ‚ist nicht mehr zu denken, seit er sich wieder verheiratet hat‘ ‐ also was denn, wasadd#51 is’ denn, was wollt ihr denn von mir? ‐ ‚del#47Und dDa ist nun dein Brief gekommen, mein liebes Kind, wo du unter subst#42andernanderem Dorsday erwähnst, der sich auch im add#52Hotel Fratazza aufhält,del#48 und das ist uns wie ein Schicksalswink erschienen. del#49Du weißt ja, wie oft Dorsday in früheren Jahren zu uns gekommen ist‘ ‐ na, gar so oft ‐ ‚es ist der reine Zufall, daß er sich seit zwei, drei Jahren seltener blicken läßt; er soll in ziemlich festen Banden sein — unter uns, nichts sehr Feines‘ ‐ warum ‚unter uns‘? ‐ ‚Im Residenzklub hat Papa jeden Donnerstag noch immer seine Whistpartie mit ihm, und iIm verflossenen Winter hat subst#44erPapa ihm subst#45imin einem Prozeß gegen einen andern Kunsthändler ein hübsches Stück Geld gerettet. del#50Im übrigen, warum sollst du es nicht wissen, er ist schon früher einmal dem Papa beigesprungen.‘ ‐ Hab’ ich mir gedacht ‐ ‚Es hat sich damals um eine Bagatelle gehandelt, achttausend Gulden, — aber schließlich — dreißig bedeuten für Dorsday auch keinen Betrag. Darum hab’ ich mir gedacht, ob du uns nicht die Liebe erweisen und mit shift#25Feature: voice; New State: emphasisDorsday reden könntest‘ ‐ Was?shift#26Feature: voice; New State: normal ‐ ‚del#51Dich hat er ja immer besonders gern gehabt‘ ‐ Hab’ nichts davon gemerkt. Die Wange hat er mir gestreichelt, wie ich zwölf oder dreizehn Jahre alt war. ‚Schon ein ganzes Fräulein.‘ ‐ ‚Und da Papa seit den achttausend glücklicherweise nicht mehr an ihn herangetreten ist, so wird er ihm diesen Liebesdienst nicht verweigern. Neulich soll er an einem Rubens, den er nach Amerika verkauft hat, allein achtzigtausend verdient haben. Das darfst du selbstverständlich nicht erwähnen.del#52‘ ‐ Hältst du mich für eine Gans, Mama? ‐ ‚ Aber im übrigen kannst du ganz aufrichtig zu ihm reden. del#53Auch, daß der Baron Höning sich den Papa hat kommen lassen, kannst du erwähnen, wenn es sich so ergeben sollte. Und add#54sag’ ihm auch, daß mit den dreißigtausend tatsächlich das Schlimmste abgewendet ist, del#54nicht nur für den Moment, sondern, so Gott will, für immer.‘ ‐ Glaubst du wirklich, Mama? ‐ ‚Ddenn der Prozeß Erbesheimer, der glänzend steht, trägt dem Papa sicher hunderttausend, aber selbstverständlich kann er gerade in diesem Stadium von den Erbesheimers nichts verlangen. Also, ich bitte dich, Kind, sprich mit Dorsday. Ich versichere subst#47dichdir, es ist nichts dabei. Papa hättehätt’ ihm ja einfach telegraphieren können, wir haben es ernstlich überlegt, aber es ist doch etwas ganz anderes, add#55mein Kind, wenn man mit einem Menschen persönlich spricht.add#56 Also Aam sechsten um zwölfadd#57 Uhr muß das Geld da sein, Doktor F.‘ ‐ Wer ist Doktor F.?add#58 Doktor F.? subst#50Ach jaAh, add#59Doktor Fiala. ‐ ‚add#60Doktor F. ist unerbittlich.del#55 Natürlich ist da auch persönliche Rancune dabei. subst#51AberUnd da es sich unglücklicherweise um shift#27Feature: voice; New State: emphasisMündelgelder handelt,‘ ‐ Um Gottes willen! Papashift#28Feature: voice; New State: normaldel#56, was hast du getan? ‐ ‚add#61Da kann man nichts machen. Und wenn das Geld am fünften um zwölf Uhr subst#52mittagsMittag nicht in Fialas Händen ist, wird der shift#29Feature: voice; New State: emphasisHaftbefehl erlassen,add#62‘ - Papa! - ‚ shift#30Feature: voice; New State: normalvielmehr so lange hält der Baron Höning ihn noch zurück. Also Dorsday müßte die Summe telegraphisch durch seine Bank an del#58Doktor F. überweisen lassen. Dann sind wir gerettet. Im andern Fall weiß Gott was geschieht. del#59Glaub’ mir, du vergibst dir nicht das Geringste, mein geliebtes Kind. Papa hatte ja anfangs Bedenken gehabt. Er hat sogar noch Versuche gemacht auf zwei verschiedenen Seiten. Aber er ist ganz verzweifelt nach Hause gekommen.‘ ‐ Kann Papa überhaupt verzweifelt sein? ‐ ‚Vielleicht nicht einmal so sehr wegen des Geldes, als darum, weil die Leute sich so schändlich gegen ihn benehmen. Der eine von ihnen war einmal Papas bester Freund. Du kannst dir denken, wen ich meine.‘ ‐ Ich kann mir gar nichts denken. Papa hat so viel beste Freunde gehabt und in Wirklichkeit keinen. Warnsdorf vielleicht? ‐ ‚Um ein Uhr ist Papa nach Hause gekommen, und jetzt ist es vier Uhr früh. Jetzt schläft er endlich, Gott sei Dank.‘ ‐ Wenn er lieber nicht aufwachte, das wär’ das beste für ihn. ‐ ‚Ich gebe den Brief in aller Früh selbst auf die Post, expreß, da mußt du ihn vormittag am dritten haben.‘ ‐ Wie hat sich Mama das vorgestellt? Sie kennt sich doch in diesen Dingen nie aus. ‐ ‚Alsoadd#63, bitte sprich sofort mit Dorsday, ich beschwöre dich, und telegraphiere sofort, wie es ausgefallen ist. Vor Tante Emma laß dir um Gottes willen nichts merken, es ist ja traurig genug, daß man sich in einem solchen Fall an die eigene Schwester nicht wenden kann, aber da könnte man ja ebensogut zu einem Stein reden. del#60Mein liebes, liebes Kind, mir tut es ja so leid, daß du in deinen jungen Jahren solche Dinge mitmachen mußt, aber glaub’ mir, der Papa ist zum geringsten Teil selber daran schuld.‘ ‐ Wer denn, Mama? ‐ ‚Nun, hoffen wir zu Gott, daß der Prozeß Erbesheimer in jeder Hinsicht einen Abschnitt in unserer Existenz bedeutet. Nur über diese paar Wochen müssen wir hinaus sein. Es wäre doch ein wahrer Hohn, wenn wegen der dreißigtausend Gulden ein Unglück geschähe?‘ ‐ Sie meint doch nicht im Ernst, daß Papa sich selber... Aber wäre — das andere nicht noch schlimmer? ‐ ‚Nun schließe ich, mein Kinddel#61, ich hoffe, du wirst unter allen Umständen‘ ‐ Unter allen Umständen? ‐ ‚noch über die Feiertage, wenigstens bis neunten oder zehnten in San Martino bleiben können. Unseretwegen mußt du keineswegs zurück. GrüßeGrüß’ die Tante, sei nur weiter nett mit ihr. del#62Also nNochmaldel#63s, sei uns nicht böse, mein liebes gutes Kind, del#64und sei tausendmal‘ ‐ jaadd#64, ja, ja, ja, das weiß ich schon.
add#65add#65Na, Ddas ist eine schöne Geschichte. IstIs’ ja irrsinnig. del#65Also, iIch soll Herrnadd#67 von Dorsday anpumpen... del#66Irrsinnig.add#68Na, das ist ja — Wie stellt sich add#69die Mama das vor?del#67 Warum hat sich Papa nicht einfach auf die Bahn gesetzt und ist hergefahren? ‐ Wär’ grad’ so geschwind gegangen wie der Expreßbrief. Aber vielleicht hätten sie ihn auf dem Bahnhof wegen Fluchtverdacht ‐ ‐ Furchtbar, furchtbar! Auch mit den dreißigtausend wird uns ja nicht geholfen sein. Immer diese Geschichten! Seit sieben Jahren! Nein — länger. Wer möcht’ mir das ansehen? Niemand sieht mir was an, auch dem Papa nicht. Und doch wissen es alle Leute. Rätselhaft, daß wir uns immer noch halten. Wie man alles gewöhnt! Dabei leben wir eigentlich ganz gut. Mama ist wirklich eine Künstlerin. Das Souper am letzten Neujahrstag für vierzehn Personen — unbegreiflich. Aber dafür meine zwei Paar Ballhandschuhe, die waren eine Affäre. Und wie der Rudi neulich dreihundert Gulden gebraucht hat, da hat die Mama beinah’ geweint. Und der Papa ist dabei immer gut aufgelegt. Immer? Nein. O nein. In der Oper neulich bei Figaro sein Blick, — plötzlich ganz leer — ich bin erschrocken. Da war er wie ein ganz anderer Mensch. Aber dann haben wir im Grand Hotel soupiert und er war so glänzend aufgelegt wie nur je.
del#68Und da halte ich den Brief in der Hand. subst#58Der Brief ist ja irrsinnig.Das ist ja ein irrsinniger Brief. Ich soll mit Dorsday subst#59sprechenreden?add#70 Ich? Zu Tod’Tode würdewürd’ ich mich schämen.del#69 ‐ ‐ Schämen, ich mich? Warum? Ich bin ja nicht schuld. ‐ Wenn ich doch mit Tante Emma spräche? Unsinn. Sie hat wahrscheinlich gar nicht so viel Geld zur Verfügung. Der Onkel ist ja ein Geizkragen. Ach Gott, warum habe ich kein Geld? Warum hab’ ich mir noch nichts verdient? Warum habe ich nichts gelernt? O, ich habe was gelernt! Wer darf sagen, daß ich nichts gelernt habe? Ich spiele Klavier, ich kann Französisch, Englisch, auch ein bißl Italienisch, habe kunstgeschichtliche Vorlesungen besucht ‐ Haha! Und wenn ich schon was Gescheiteres gelernt hätte, was hülfe es mir? Dreißigtausend Gulden hätte ich mir keineswegs erspart. ‐ ‐
add#71Ach Gott, ach Gott. Aus ist esis’ mit dem Alpenglühen. Der Abend ist nicht mehr wunderbar. Traurig ist die Gegend. Nein, nicht die Gegend,del#70 aber das Leben ist traurig. subst#63Und ich sitz’ daDa sitz’ ich ruhig auf dem Fensterbrett. Und subst#64dermein Papa soll eingesperrt werden. add#72Aber das ist doch unmöglich! Unmöglich. Neinadd#73, nein, nein, nein. del#71Nie und nimmer. Es darf nicht sein. Ich werde ihn retten. subst#65Ja, PapaAber nein, Papa, ich werde dich retten. subst#66EsDas istis’ ja ganz einfach. Ein paar Worte ganz nonchalantdel#72, das ist ja mein Fall, ‚hochgemut‘, ‐ haha, ich werde Herrn Dorsday behandeln, als wenn es eine Ehre für ihn wäre, uns Geld zu leihen. Es ist ja auch eine. ‐ Herr von Dorsday,add#74 ach, haben Sie vielleicht einen subst#68MomentAugenblick Zeit für mich? Ich bekomme da eben einen Brief vonadd#75 der Mama, sie ist inadd#76 einer augenblicklichesubst#69rn Verlegenheit.del#73, — vielmehr der Papa ‐ ‐ shift#31Feature: pitch; New State: low‚Aber selbstverständlich, mein Fräulein, mit dem größten Vergnügen. Um wieviel handelt es sich denn?‘shift#32Feature: pitch; New State: normal ‐ add#78Ach. Wenn er mir nur nicht so unsympathisch wäre. Auch die Art, wie er michadd#79 immer ansieht.del#74 Nein, Herr Dorsday, ich glaube Ihnen Ihre Eleganz nicht und nicht Ihr Monokel und nicht Ihre Noblesse. Sie könnten ebensogut mit alten Kleidern handeln wie mit alten Bildern. ‐ Aber Else! Else, was fällt dir denn ein. ‐ O, ich kann mir das erlauben. Mir sieht’s niemand an. Ich bin sogar blond, rötlichblond, und Rudi sieht absolut aus wie ein Aristokrat. Bei der Mama merkt man es freilich gleich, wenigstens im Reden. Beim Papa wieder gar nicht. Übrigens sollen sie es merken. Ich verleugne es durchaus nicht und Rudi erst recht nicht. Im Gegenteil. Was täte der Rudi, wenn der Papa eingesperrt würde? Würde er sich erschießen? Aber Unsinn! Erschießen und Kriminal, all die Sachen gibt’s ja gar nicht, die stehn nur in der Zeitung.
del#75Die Luft ist wie Champagner. In einer Stunde ist das Diner, das ‚Dinner‘. Ich kann die Cissy nicht leiden. Um ihr Mäderl kümmert sie sich überhaupt nicht.add#80Was soll ich denn anziehen? Noch eine Stunde bis zum Dinner. Was zieh’ ich an? Das blaue oder das schwarze? del#76Heut’ wär vielleicht das schwarze richtiger. Zu dekolletiert? Toilette de circonstance heißt es in den französischen Romanen. Jedesubst#70snfalls muß ich shift#33Feature: tension; New State: prberückendshift#34Feature: tension; New State: normal aussehen, wenn ich mit add#81diesem Dorsday rede. Nach dem Dinneradd#82 mach’ ich das, add#83ganz nonchalant.del#77 Seine Augen werden sich in meinen Ausschnitt bohren. Widerlicher Kerl. Ich hasse ihn. Alle Menschen hasse ich. Muß es gerade Dorsday sein? Gibt es denn wirklich nur diesenadd#84 einen Dorsday auf der Welt, der dreißigtausend Gulden hat? Wenn ich mit Paul spräche? subst#71Wenn er der Tante sagteEr könnte ja der Tante sagen, er hat Spielschulden.del#78, — da würde sie sich das Geld sicher verschaffen können. ‐
del#79Beinah’ schon dunkel. Nacht. Grabesnacht. Am liebsten möcht’ ich tot sein. ‐ Es ist ja gar nicht wahr. Wenn ich jetzt gleich hinunterginge, Dorsday noch vor dem Diner spräche? Ah, wie entsetzlich! ‐ Paul, wenn du mir die dreißigtausend verschaffst, kannst du von mir haben, was du willst. add#86Hm. subst#72Das ist ja schon wieder aus einem Roman.Ein schöner Schundroman. Die edle Tochter verkauft sich für den geliebten Vater, und hat am End’ noch ein Vergnügen davonadd#87, was.? Pfui Teufel!del#80 Nein, Paul, auch für dreißigtausend kannst du von mir nichts haben. Niemand. Aber für eine Million? ‐ Für ein Palais? Für eine Perlenschnur? Wenn ich einmal heirate, werde ich es wahrscheinlich billiger tun. Ist es denn gar so schlimm? Die Fanny hat sich am Ende auch verkauft. Sie hat mir selber gesagt, daß sie sich vor ihrem Manne graust. Nun, wie wär’s, Papa, wenn ich mich heute Abend versteigerte? Um dich vor dem Zuchthaus zu retten. Sensation —! subst#74Ich habe Fieber, ganz gewißMir scheint, ich habehab’ Fieber.del#81 Oder bin ich schon unwohl? Nein, Fieber habe ich. Vielleicht von der Luft. Wie Champagner. ‐ Wenn Fred hier wäre, könnte er mir raten? Ich brauche keinen Rat. Es gibt ja auch nichts zu raten. Ich werde mit Herrn Dorsday aus Eperies sprechen, werde ihn anpumpen, ich die Hochgemute, die Aristokratin, die Marchesa, die Bettlerin, die Tochter des Defraudanten. Wie komm’ ich dazu? Wie komm’ ich dazu? Keine klettert so gut wie ich, keine hat so viel Schneid, — sporting girl, in England hätte ich auf die Welt kommen sollen, oder als Gräfin.
del#82Da hängen die Kleider im Kasten! Ist das grüne Loden überhaupt schon bezahlt, Mama? Ich glaube nur eine Anzahlung. add#88Also. mod#7Das schwarze zieh’ ich aniIch zieh’ Ddas schwarze an.add#89 Das steht mir sehr gut. del#83Sie haben mich gestern alle angestarrt. Auch der blasse kleine Herr mit dem goldenen Zwicker. Schön bin ich eigentlich nicht, aber interessant. Zur Bühne hätte ich gehen sollen. Bertha hat schon drei Liebhaber, keiner nimmt es ihr übel... In Düsseldorf war es der Direktor. Mit einem verheirateten Manne war sie in Hamburg und hat im Atlantic gewohnt, Appartement mit Badezimmer. Ich glaub’ gar, sie ist stolz darauf. Dumm sind sie alle. Ich werde hundert Geliebte haben, tausend, warum nicht? Der Ausschnitt ist nicht tief genug; wenn ich verheiratet wäre, dürfte er tiefer sein. ‐ Gut, daß ich Sie treffe, Herr von Dorsday, ich bekomme da eben einen Brief subst#78aus Wienvon der Mama... del#84Den Brief stecke ich für alle Fälle zu mir. Soll ich dem Stubenmädchen läuten? Nein, ich mache mich allein fertig. Zu dem schwarzen Kleid brauche ich niemanden. Wäre ich reich, würde ich nie ohne Kammerjungfer reisen.
del#85Ich muß Licht machen. Kühl wird es. Fenster zu. Vorhang herunter? ‐ Überflüssig. Steht keiner auf dem Berg drüben mit einem Fernrohr. Schade. ‐ Ich bekomme da eben einen Brief, Herr von Dorsday. ‐ Nach dem Dinner wäre es doch vielleicht besser. Man ist in leichterer Stimmung. Auch Dorsday — ich könnt’ ja ein Glas Wein vorher trinken. Aber wenn die Sache vor dem Diner abgetan wäre, würde mir das Essen besser schmecken. Pudding à la merveille, fromage et fruits divers. Und wenn Herr von Dorsday Nein sagt? ‐ Oder wenn er gar frech wird? Ah nein, mit mir ist noch keiner frech gewesen. Das heißt, der Marineleutnant Brandl, aber es war nicht bös gemeint. ‐ Ich bin wieder etwas schlanker geworden. Das steht mir gut. ‐ Die Dämmerung starrt herein. Wie ein Gespenst starrt sie herein. Wie hundert Gespenster. Aus meiner Wiese herauf steigen die Gespenster. Wie weit ist Wien? Wie lange bin ich schon fort? Wie allein bin ich da! Ich habe keine Freundin, ich habe auch keinen Freund. Wo sind sie alle? Wen werd’ ich heiraten? Wer heiratet die Tochter eines Defraudanten? ‐ Eben erhalte ich einen Brief, Herr von Dorsday. ‐ shift#35Feature: pitch; New State: low‚Aber add#90mein Fräulein, subst#79esdas istis’ subst#81dochja gar nicht der Rede wertshift#36Feature: pitch; New State: normaldel#86, Fräulein Else, gestern erst habe ich einen Rembrandt verkauft, Sie beschämen mich, Fräulein Else.‘ ‐ Und jetzt reißt er ein Blatt aus seinem Scheckbuch und unterschreibt mit seiner goldenen Füllfeder; und morgen früh fahr’ ich mit dem Scheck nach Wien. del#87Jedenfalls; auch ohne Scheck. Ich bleibe nicht mehr hier. Ich könnte ja gar nicht, ich dürfte ja gar nicht. Ich lebe hier als elegante junge Dame und Papa steht mit einem Fuß im Grab — nein im Kriminal. Das vorletzte Paar Seidenstrümpfe. Den kleinen Riß grad’ unterm Knie merkt niemand. Niemand? Wer weiß. Nicht frivol sein, Else. ‐ Bertha ist einfach ein Luder. Aber ist die Christine um ein Haar besser? Ihr künftiger Mann kann sich freuen. Mama war gewiß immer eine treue Gattin. Ich werde nicht treu sein. Ich bin hochgemut, aber ich werde nicht treu sein. Die Filous sind mir gefährlich. Die Marchesa hat gewiß einen Filou zum Liebhaber. Wenn Fred mich wirklich kennte, dann wäre es aus mit seiner Verehrung. ‐ ‚Aus Ihnen hätte alles Mögliche werden können, Fräulein, eine Pianistin, eine Buchhalterin, eine Schauspielerin, es stecken so viele Möglichkeiten in Ihnen. Aber es ist Ihnen immer zu gut gegangen.‘ ‐ Zu gut gegangen. Haha. Fred überschätzt mich. Ich hab’ ja eigentlich zu nichts Talent. ‐ Wer weiß? So weit wie Bertha hätte ich es auch noch gebracht. Aber mir fehlt es an Energie. Junge Dame aus guter Familie. Ha, gute Familie. Der Vater veruntreut Mündelgelder. Warum tust du mir das an, Papa? Wenn du noch etwas davon hättest! Aber an der Börse verspielt! Ist das der Mühe wert? Und die dreißigtausend werden dir auch nichts helfen. Für ein Vierteljahr vielleicht. Endlich wird er doch durchgehen müssen. Vor anderthalb Jahren war es ja fast schon so weit. Da kam noch Hilfe. Aber einmal wird sie nicht kommen — und was geschieht dann mit uns? Rudi wird nach Rotterdam gehen zu Vanderhulst in die Bank. Aber ich? Reiche Partie. O, wenn ich es darauf anlegte! Ich bin heute wirklich schön. Das macht wahrscheinlich die Aufregung. Für wen bin ich schön? Wäre ich froher, wenn Fred hier wäre? Ach Fred ist im Grunde nichts für mich. Kein Filou! Aber ich nähme ihn, wenn er Geld hätte. Und dann käme ein Filou — und das Malheur wäre fertig. ‐ Sie möchten wohl gern ein Filou sein, Herr von Dorsday? ‐ Von weitem sehen Sie manchmal auch so aus. Wie ein verlebter Vicomte, wie ein Don Juan — mit Ihrem blöden Monocle und Ihrem weißen Flanellanzug. Aber ein Filou sind Sie noch lange nicht. ‐ Habe ich alles? Fertig zum ‚Dinner‘? ‐ Was tue ich aber eine Stunde lang, wenn ich Dorsday nicht treffe? Wenn er mit der unglücklichen Frau Winawer spazieren geht? Ach, sie ist gar nicht unglücklich, sie braucht keine dreißigtausend Gulden. Also ich werde mich in die Halle setzen, großartig in einen Fauteuil, schau mir die Illustrated News an und die Vie parisienne, schlage die Beine übereinander, — den Riß unter dem Knie wird man nicht sehen. Vielleicht ist gerade ein Milliardär angekommen. ‐ Sie oder keine. ‐ Ich nehme den weißen Schal, der steht mir gut. Ganz ungezwungen lege ich ihn um meine herrlichen Schultern. Für wen habe ich sie denn, die herrlichen Schultern? Ich könnte einen Mann sehr glücklich machen. Wäre nur der rechte Mann da. Aber Kind will ich keines haben. Ich bin nicht mütterlich. Marie Weil ist mütterlich. Mama ist mütterlich, Tante Irene ist mütterlich. Ich habe eine edle Stirn und eine schöne Figur. ‐ ‚Wenn ich Sie malen dürfte, wie ich wollte, Fräulein Else.‘ ‐ Ja, das möchte Ihnen passen. Ich weiß nicht einmal seinen Namen mehr. Tizian hat er keineswegs geheißen, also war es eine Frechheit. ‐ Eben erhalte ich einen Brief, Herr von Dorsday. ‐ Noch etwas Puder auf den Nacken und Hals, einen Tropfen Verveine ins Taschentuch, add#91Also los. Kasten zusperren, Fenster del#88wieder auf, subst#82ahach Gott,add#92 ist das schön! del#89wie wWunderbar! Zum Weinen.add#93 Glaub’, Iich bin nervös. del#90Ach, soll man nicht unter solchen Umständen nervös sein. subst#85Die Schachtel mit dem Veronal hab’ ich bei den Hemden.Veronal hab’ ich bei der Wäsche. mod#8Auch neue Hemden brauchte ichnNeue subst#87HemdenPyjamas brauchtebrauch’ ich Aauch. Das wird wieder eine AffäreAffaire subst#91seinwerden. Ach Gottadd#94, ach Gott.
shift#37Feature: tempo; New State: lowUnheimlich, riesig subst#92derdieser Cimonedel#91, als wenn er auf mich herunterfallen wollte! Noch kein Stern am Himmel. Die Luft ist wie Champagner. Und subst#93derdieser Duft von den Wiesen!shift#38Feature: tempo; New State: normal del#92Ich werde auf dem Land leben. Einen Gutsbesitzer werde ich heiraten und Kinder werde ich haben. Doktor Froriep war vielleicht der Einzige, mit dem ich glücklich geworden wäre. Wie schön waren die beiden Abende hintereinander, der erste bei Kniep, und dann der auf dem Künstlerball. Warum ist er plötzlich verschwunden — wenigstens für mich? Wegen Papa vielleicht? Wahrscheinlich. Ich möchte einen Gruß in die subst#94LuftNacht hinausrufen, subst#95ehebevor ich wieder subst#96hinuntersteigeda hinunter mussdel#93 unter das Gesindel. Aber subst#97zu weman wen soll der Gruß gehen?add#95 Ich hab’ ja niemand.del#94 Ich bBin ja subst#99ganzso allein. Ich bin del#95ja so del#96furchtbar allein, wie del#97es sich add#96das überhaupt niemand vorstellen kann. Sei gegrüßt, mein Geliebter. Wer? Sei gegrüßt, mein Bräutigam! Wer? Sei gegrüßt, mein Freund! Wer?add#97 Wer? Wer? del#98‐ Fred? ‐ Aber keine Spur. So, das Fenster bleibt offen. del#99Wenn’s auch kühl wird. Licht abdrehen. So. del#100‐ Ja richtig, den Brief. Ich muß ihn zu mir nehmen für alle Fälle. Das Buch aufs Nachtkastel, ich lese heut’ Nacht noch weiter in ‚Notre Coeur‘, unbedingt, was immer geschieht. Guten Abend, subst#100schönstesschönes Fräulein im Spiegel, behalten Sie mich in gutem Angedenken, auf Wiedersehen...
del#101Warum sperre ich die Tür zu? Hier wird nichts gestohlen. Ob Cissy in der Nacht ihre Türe offen läßt? Oder sperrt sie ihm erst auf, wenn er klopft? Ist es denn ganz sicher? Aber natürlich. Dann liegen sie zusammen im Bett. Unappetitlich. Ich werde kein gemeinsames Schlafzimmer haben mit meinem Mann und mit meinen tausend Geliebten. ‐ Leer ist das ganze Stiegenhaus! Immer um diese Zeit. Meine Schritte hallen. Drei Wochen bin ich jetzt da. Am zwölften August bin ich von Gmunden abgereist. Gmunden war langweilig. Woher hat der Papa das Geld gehabt, Mama und mich aufs Land zu schicken? Und Rudi war sogar vier Wochen auf Reisen. Weiß Gott wo. Nicht zweimal hat er geschrieben in der Zeit. Nie werde ich unsere Existenz verstehen. Schmuck hat die Mama freilich keinen mehr. ‐ Warum war Fred nur zwei Tage in Gmunden? Hat sicher auch eine Geliebte! Vorstellen kann ich es mir zwar nicht. Ich kann mir überhaupt gar nichts vorstellen. Acht Tage sind es, daß er mir nicht geschrieben hat. Er schreibt schöne Briefe. ‐ Wer sitzt denn dort an dem kleinen Tisch? Nein, Dorsday ist es nicht. Gott sei Dank. Jetzt vor dem Diner wäre es doch unmöglich, ihm etwas zu sagen. ‐ Warum schaut michadd#98 denn der Portier so merkwürdig an? Hat er am Ende den Expreßbrief von der Mama gelesen? Mir scheint, ich shift#39Feature: voice; New State: laughbin verrückt.shift#40Feature: voice; New State: normaldel#102 Ich mMuß ihm nächstens wieder ein Trinkgeld geben.del#103 ‐ Die Blonde da ist auch schon zum Diner angezogen. Wie kann man so dick sein! ‐ subst#102Ich werde noch vor’s Hotel hinausDas beste, ich geh’ noch ein bisschen vor’s Hotel hinausdel#104 und ein bißchen auf und abgehen.del#105 Oder ins Musikzimmer? Spielt da nicht wer? Eine Beethovensonate! Wie kann man hier eine Beethovensonate spielen! Ich vernachlässige mein Klavierspiel. In Wien werde ich wieder regelmäßig üben. Überhaupt ein anderes Leben anfangen. Das müssen wir alle. So darf es nicht weitergehen. Ich werde einmal ernsthaft mit Papa sprechen — wenn noch Zeit dazu sein sollte. Es wird, es wird. Warum habe ich es noch nie getan? Alles in unserem Haus wird mit Scherzen erledigt, und keinem ist scherzhaft zu Mut. Jeder hat eigentlich Angst vor dem Andern, jeder ist allein. Die Mama ist allein, weil sie nicht gescheit genug ist und von niemandem was weiß, nicht von mir, nicht von Rudi und nicht vom Papa. Aber sie spürt es nicht und Rudi spürt es auch nicht. Er ist ja ein netter eleganter Kerl, aber mit einundzwanzig hat er mehr versprochen. Es wird gut für ihn sein, wenn er nach Holland geht. Aber wo werde ich hingehen? Ich möchte fortreisen und tun können was ich will. Wenn Papa nach Amerika durchgeht, begleite ich ihn. Ich bin schon ganz konfus... Der Portier wird mich für wahnsinnig halten, wie ich da auf der Lehne sitze und in die Luft starre. Ich werde mir eine Zigarette anzünden. Wo ist meine Zigarettendose? Oben. Wo nur? Das Veronal habe ich bei der Wäsche. Aber wo habe ich die Dose? Da kommen Cissy und Paul. Ja, sie muß sich endlich umkleiden zum ‚Dinner‘, sonst hätten sie noch im Dunkeln weitergespielt. ‐ Sie sehen mich nicht. Was sagt er ihr denn? Warum lacht sie so blitzdumm? Wär’ lustig, ihrem Gatten einen anonymen Brief nach Wien zu schreiben. Wäre ich so was imstande? Nie. Wer weiß? Jetzt haben sie mich gesehen. Ich nicke ihnen zu. Sie ärgert sich, daß ich so hübsch aussehe. Wie verlegen sie ist.
del#106„Wie, Else, Sie sind schon fertig zum Diner?“ ‐ Warum sagt sie jetzt Diner und nicht Dinner. Nicht einmal konsequent ist sie. ‐ „Wie Sie sehen, Frau Cissy.“ ‐ „Du siehst wirklich entzückend aus, Else, ich hätte große Lust, dir den Hof zu machen.“ ‐ „Erspar’ dir die Mühe, Paul, gib mir lieber eine Zigarette.“ ‐ „Aber mit Wonne.“ ‐ „Dank’ schön. Wie ist das Single ausgefallen?“ ‐ „Frau Cissy hat mich dreimal hintereinander geschlagen.“ ‐ „Er war nämlich zerstreut. Wissen Sie übrigens, Else, daß morgen der Kronprinz von Griechenland hier ankommt?“ ‐ Was kümmert mich der Kronprinz von Griechenland? „So, wirklich?“ O Gott, — Dorsday mit Frau Winawer! Sie grüßen. Sie gehen weiter. Ich habe zu höflich zurückgegrüßt. Ja, ganz anders als sonst. O, was bin ich für eine Person. ‐ „Deine Zigarette brennt ja nicht, Else?“ ‐ „Also, gib mir noch einmal Feuer. Danke.“ ‐ „Ihr Schal ist sehr hübsch, Else, zu dem schwarzen Kleid steht er Ihnen fabelhaft. Übrigens muß ich mich jetzt auch umziehen.“ ‐ Sie soll lieber nicht weggehen, ich habe Angst vor Dorsday. ‐ „Und für sieben habe ich mir die Friseurin bestellt, sie ist famos. Im Winter ist sie in Mailand. Also adieu, Else, adieu, Paul.“ ‐ „Küss’ die Hand, gnädige Frau.“ ‐ „Adieu, Frau Cissy.“ ‐ Fort ist sie. Gut, daß Paul wenigstens da bleibt. ‐ „Darf ich mich einen Moment zu dir setzen, Else, oder stör’ ich dich in deinen Träumen?“ ‐ „Warum in meinen Träumen? Vielleicht in meinen Wirklichkeiten.“ Das heißt eigentlich gar nichts. Er soll lieber fortgehen. Ich muß ja doch mit Dorsday sprechen. Dort steht er noch immer mit der unglücklichen Frau Winawer, er langweilt sich, ich seh’ es ihm an, er möchte zu mir herüberkommen. ‐ „Gibt es denn solche Wirklichkeiten, in denen du nicht gestört sein willst?“ ‐ Was sagt er da? Er soll zum Teufel gehen. Warum lächle ich ihn so kokett an? Ich mein’ ihn ja gar nicht. Dorsday schielt herüber. Wo bin ich? Wo bin ich? ‐ „Was hast du denn heute, Else?“ ‐ „Was soll ich denn haben?“ ‐ „Du bist geheimnisvoll, dämonisch, verführerisch.“ ‐ „Red’ keinen Unsinn, Paul.“ ‐ „Man könnte geradezu toll werden, wenn man dich ansieht.“ ‐ Was fällt ihm denn ein? Wie redet er denn zu mir? Hübsch ist er. Der Rauch meiner Zigarette verfängt sich in seinen Haaren. Aber ich kann ihn jetzt nicht brauchen. ‐ „Du siehst so über mich hinweg. Warum denn, Else?“ ‐ Ich antworte gar nichts. Ich kann ihn jetzt nicht brauchen. Ich mache mein unausstehlichstes Gesicht. Nur keine Konversation jetzt. ‐ „Du bist mit deinen Gedanken ganz wo anders.“ ‐ „Das dürfte stimmen.“ Er ist Luft für mich. Merkt Dorsday, daß ich ihn erwarte? Ich sehe nicht hin, aber ich weiß, daß er hersieht. ‐ „Also, leb’ wohl, Else.“ ‐ Gott sei Dank. Er küßt mir die Hand. Das tut er sonst nie. „Adieu, Paul.“ Wo hab’ ich die schmelzende Stimme her? Er geht, der Schwindler. Wahrscheinlich muß er noch etwas abmachen mit Cissy wegen heute Nacht. Wünsche viel Vergnügen. Ich ziehe den Schal um meine Schulter und stehe auf und geh’ vors Hotel hinaus. Wird freilich schon etwas kühl sein. Schad’, daß ich meinen Mantel — Ah, ich habe ihn ja heute früh in die Portierloge hineingehängt. Ich fühle den Blick von Dorsday auf meinem Nacken, durch den Schal. Frau Winawer geht jetzt hinauf in ihr Zimmer. Wieso weiß ich denn das? Telepathie. „Ich bitte Sie, Herr Portier —“ ‐ „Fräulein wünschen den Mantel?“ ‐ „Ja, bitte.“ ‐ „Schon etwas kühl die Abende, Fräulein. Das kommt bei uns so plötzlich.“ ‐ „Danke.“ Soll ich wirklich vors Hotel? Gewiß, was denn? Jedesfalls zur Türe hin. Jetzt kommt einer nach dem andern. Der Herr mit dem goldenen Zwicker. Der lange Blonde mit der grünen Weste. Alle sehen sie mich an. Hübsch ist diese kleine Genferin. Nein, aus Lausanne ist sie. shift#41Feature: tempo; New State: ladd#99Ach, ist das schön! Dieses Licht.shift#42Feature: tempo; New State: normal subst#103Es ist eigentlich gar nicht so kühlUnd überhaupt nicht kühl.add#100 Herrlich.
shift#43Feature: pitch; New State: low„Guten Abend, Fräulein Else.“shift#44Feature: pitch; New State: normal ‐ shift#45Feature: tempo; New State: aUm Gotteswillen, subst#104er ist esDorsday, da is’ er schon. Ich sagesag’ nichtsdel#107 von Papa. Kein Wort.add#101 Fällt mir gar nicht ein. del#108Erst nach dem Essen. subst#106Oder ich reise morgen nach WienMorgen früh fahr’ ich nach Wien. Ich gehegeh’ persönlich zu Doktor Fiala. del#109Warum ist mir das nicht gleich eingefallen? subst#108Ich wendeJetzt dreh’ ich mich um mit einem Gesicht, als wüßtewüßt’ ichadd#102 gar nicht, wer hinter mir steht.shift#46Feature: tempo; New State: normal „Ah, Herr von Dorsday.“ ‐ shift#47Feature: pitch; New State: low„Sie wollen noch einenadd#103 kleinen Spaziergang machen, Fräulein Else?“shift#48Feature: pitch; New State: normal ‐ „Achadd#104 Gott, nicht gerade einen Spaziergang, ein bißchen auf und abdel#110gehen vor dem DinerDinner.add#105 IstIs’ so ein herrlicher Abend heute.“ ‐ del#111„Es ist fast noch eine Stunde bis dahin.“ ‐ „Wirklich?“ Es ist gar nicht so kühl. Blau sind die Berge. Lustig wär’s, wenn er plötzlich um meine Hand anhielte. ‐ shift#49Feature: pitch; New State: low„add#106Ja. Es gibt del#112doch auf der Welt keinen schöneren Fleck als diesen hier.add#107 Finden Sie nicht auch, Fräulein Else?“shift#50Feature: pitch; New State: normal ‐ del#113„Finden Sie, Herr von Dorsday? Aber bitte, sagen Sie nicht, daß die Luft hier wie Champagner ist.“ ‐ „Nein, Fräulein Else, das sage ich erst von zweitausend Metern an. Und hier stehen wir kaum sechzehnhundertfünfzig über dem Meeresspiegel.“ ‐ „Macht das einen solchen Unterschied?“ ‐ „Aber selbstverständlich. Waren Sie schon einmal im Engadin?“ ‐ „Nein, noch nie. Also dort ist die Luft wirklich wie Champagner?“ ‐ „Man könnte es beinah’ sagen. Aber Champagner ist nicht mein Lieblingsgetränk. Ich ziehe diese Gegend vor. Schon wegen der wundervollen Wälder.“ ‐ Wie langweilig er ist. Merkt er das nicht? Er weiß offenbar nicht recht, was er mit mir reden soll. Mit einer verheirateten Frau wärewär’ subst#113esdasadd#108 viel einfacher.add#109 Ich weiß, shift#51Feature: voice; New State: laughhmhm.shift#52Feature: voice; New State: normal Man sagt eine kleine Unanständigkeit und die Konversation subst#114geht weiterist in vollstem Gang. ‐ shift#53Feature: pitch; New State: low„Bleiben Sie noch längere Zeit hierdel#114 in San Martino, Fräulein Else?“shift#54Feature: pitch; New State: normal ‐ del#115Idiotisch. Warum schau’ ich ihn so kokett an? Und schon lächelt er in der gewissen Weise. Nein, wie dumm die Männer sind. „Das hängt zum Teil von den Dispositionen meiner Tante ab.“ Ist ja gar nicht wahr. Ich kann ja allein nach Wien fahren. „Wahrscheinlich bis zum zehnten.“ ‐ shift#55Feature: pitch; New State: low„add#110Mhm. Die add#111Frau Mama ist wohl noch in Gmunden?“shift#56Feature: pitch; New State: normal ‐ „Nein, Herr von Dorsday. subst#115SieDie Mama ist schon in Wien. add#112Ja. Schon seit drei Wochen. Papa ist auch in Wien. subst#116ErDer hat sich heuer kaum acht Tage Urlaub genommen. Ich glaube, der Prozeß Erbesheimer macht ihm sehr viel Arbeit.“ ‐ shift#57Feature: pitch; New State: low„shift#58Feature: voice; New State: laughadd#113Ja. shift#59Feature: voice; New State: normalDas kann ich mir denken. Aber Ihr Papa ist subst#117wohlja wohl auch der Einzige, der Erbesheimer herausreißen kannshift#60Feature: pitch; New State: normaldel#116... Es bedeutet ja schon einen Erfolg, daß es überhaupt eine Zivilsache geworden ist.“ ‐ shift#61Feature: loud; New State: padd#114Ah. Das ist gut,add#115 daß er so nett von Papa spricht. Gott sei Dank.shift#62Feature: loud; New State: normaldel#117 das ist gut. „del#118Es ist mir angenehm zu hören, daß auch Sie ein so günstiges Vorgefühl haben.“ ‐ „Vorgefühl? Inwiefern?“ ‐ „Ja, daß der Papa den Prozeß für Erbesheimer gewinnen wird.“ ‐ „Das will ich nicht einmal mit Bestimmtheit behauptet haben.“ ‐ Wie, weicht er schon zurück? Das soll ihm nicht gelingen. „O, ich halte etwas von Vorgefühlen und von Ahnungen. Denken Sieadd#116 nur, Herr von Dorsday, geradegrade heute habehab’ ich einen Brief von zu HauseHaus’ bekommen.“ Das war nicht sehr geschickt. del#119Er macht ein etwas verblüfftes Gesicht. Nur weiter, nicht schlucken. Er ist ein guter alter Freund von Papa. Vorwärts. Vorwärts. Jetzt oder nie. „Herr von Dorsday, Sie haben eben so lieb von Papa gesprochen, es wäre geradezu häßlich von mir, wenn ich nicht ganz aufrichtig zu Ihnen wäre.“ Was macht er denn für Kalbsaugen? O weh, er merkt was. add#117Aber jetzt Wweiter, weiter. „add#118Ja. Nämlich in dem Brief ist auch von Ihnen die Rede, Herr von Dorsday. Es istis’ nämlich ein Brief von add#119der Mama.“ ‐ shift#63Feature: pitch; New State: low„So.?“shift#64Feature: pitch; New State: normal ‐ „add#120Ja. Eigentlich ein sehr trauriger Brief. Sie kennen ja die Verhältnisse in unserem Haus, Herr von Dorsday.del#120“ Um Himmels willen, ich habe ja Tränen in der Stimme. Vorwärts, vorwärts, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Gott sei Dank. „ Kurz und gut, Herr von Dorsday, wir wären wieder einmal so weit.“ subst#124Jetzt möchte er am liebsten verschwinden.Gottes willen, ich hab’ ja Tränen in der Stimme. „Es handelt sich — um eine Bagatelle. Wirklich nur um eine Bagatelle, Herr von Dorsday. Und doch, wieadd#122 die Mama schreibt, steht alles auf dem Spiel.“ del#121Ich rede so blöd’ daher wie eine Kuh. ‐ shift#65Feature: pitch; New State: lowshift#66Feature: tempo; New State: l„add#123Ja. Aber beruhigen Sie sich doch, Fräulein Else.del#122“ ‐ Das hat er nett gesagt. Aber meinen Arm brauchte er darum nicht zu berühren. ‐ „Also, wWas gibt’s denn eigentlichdel#123, Fräulein Else? Was steht denn in dem traurigen Brief vonadd#124 der Frau Mama!“shift#67Feature: tempo; New State: normalshift#68Feature: pitch; New State: normal ‐ „add#125Ach, Herr von Dorsday, der Papa —del#124“ Mir zittern die Knie. „ Ddie Mama schreibt mir, daß der Papa“ ‐ shift#69Feature: pitch; New State: low„add#127Ja. Aber um subst#127GottesHimmels willen, add#128Fräulein Else, was ist Ihnen denn? add#129Kommen Sie. Wollen Sie nicht lieber — add#130kommen Sie, hier ist eine Bank.shift#70Feature: pitch; New State: normaldel#125 Darf ich Ihnen den Mantel umgeben? Es ist etwas kühl.“ ‐ del#126„Danke, Herr von Dorsday, o, es ist nichts, gar nichts Besonderes.“ So, da sitze ich nun plötzlich auf der Bank. Wer ist die Dame, die da vorüber kommt? Kenn’ ich gar nicht. Wenn ich nur nicht weiterreden müßte. Wie er mich ansieht! Wie konntest du das von mir verlangen, Papa? Das war nicht recht von dir, Papa. Nun ist es einmal geschehen. Ich hätte bis nach dem Diner warten sollen. ‐ „Nun, Fräulein Else?“ ‐ Sein Monokel baumelt. Dumm sieht das aus. Soll ich ihm antworten? Ich muß ja. Also geschwind, damit ich es hinter mir habe. Was kann mir denn passieren? Er ist ein Freund von Papa. „Ach Gott, Herr von Dorsday, Sie sind ja ein alter Freund unseres Hauses.del#127“ Das habe ich sehr gut gesagt. „ Und es wird Sieadd#132 ja wahrscheinlichadd#133 gar nicht wundern, wenn ich Ihnen erzähle, daßadd#134 der Papa sich wieder einmal in einer recht fatalen Situation befindet.del#128“ Wie merkwürdig meine Stimme klingt. Bin das ich, die da redet? Träume ich vielleicht? Ich habe gewiß jetzt auch ein ganz anderes Gesicht als sonst. ‐ „Es wundert mich allerdings nicht übermäßig. Da haben Sie schon recht, liebes Fräulein Else, ‐ wenn ich es auch lebhaft bedauere.“ ‐ Warum sehe ich denn so flehend zu ihm auf? Lächeln, lächeln. Geht schon. ‐ „Ich empfinde für Ihren Papa eine so aufrichtige Freundschaft, für Sie alle.“ ‐ Er soll mich nicht so ansehen, es ist unanständig. Ich will anders zu ihm reden und nicht lächeln. Ich muß mich würdiger benehmen. „Nun, Herr von Dorsday, jetzt hätten Sie Gelegenheit, Ihre Freundschaft für meinen Vater zu beweisen.“ Gott sei Dank, ich habe meine alte Stimme wieder. „Es scheint nämlich, Herr von Dorsday, daß alle unsere Verwandten und Bekannten — die Mehrzahl ist noch nicht in Wien — sonst wäre Mama wohl nicht auf die Idee gekommen. ‐ Neulich habe ich nämlich zufällig in einem Brief an Mama Ihrer Anwesenheit hier in Martino Erwähnung getan — unter anderm natürlich.“ ‐ „Ich vermutete gleich, Fräulein Else, daß ich nicht das einzige Thema Ihrer Korrespondenz mit Mama vorstelle.“ ‐ Warum drückt er seine Knie an meine, während er da vor mir steht. Ach, ich lasse es mir gefallen. Was tut’s! Wenn man einmal so tief gesunken ist. „ Die Sache verhält sich nämlich so. Doktor Fiala ist es, der subst#128diesmaldieses Mal dem Papa add#136so besondere Schwierigkeiten zu bereiten scheint.“ ‐ shift#71Feature: pitch; New State: low„Adel#129ch,add#137 der Doktor Fiala.“shift#72Feature: pitch; New State: normal ‐ del#130Er weiß offenbar auch, was er von diesem Fiala zu halten hat. „Ja,add#138 der Doktor Fiala. Und die Summe, um die es sich handelt,add#139 die soll am fünften, das istis’ übermorgen um zwölf Uhr Mittag, — vielmehr, subst#130sie mußda muß sie schon in seinen Händen sein, wenn nicht der Baron Höningadd#140, der Staatsanwalt —del#131 — ja, denken Sie, der Baron hat Papa zu sich bitten lassen, privat, er liebt ihn nämlich sehr.“ del#132Warum red’ ich denn von Höning, das wär’ ja gar nicht notwendig gewesen. ‐ shift#73Feature: pitch; New State: low„Sie wollen sagen, add#141Fräulein Else, daß andernfalls shift#74Feature: tempo; New State: leine Verhaftung unausbleiblich wäre?del#133“ ‐ Warum sagt er das so hart? Ich antworte nicht, ich nicke nur. „Ja.“ Nun habe ich doch Ja gesagt. ‐ „ subst#131HmTja, das ist ja — schlimm, das ist ja wirklich sehradd#143 schlimm — dieser hochbegabte geniale Mensch.add#144 Tja. ‐ del#134Und uUm welchen Betrag handelt es sich denn eigentlich, Fräulein Else?“shift#75Feature: tempo; New State: normalshift#76Feature: pitch; New State: normal ‐ del#135Warum lächelt er denn? Er findet es schlimm und er lächelt. Was meint er mit seinem Lächeln? Daß es gleichgültig ist wieviel? Und wenn er Nein sagt! Ich bring’ mich um, wenn er Nein sagt. Also, ich soll die Summe nennen. „Wie, Herr von Dorsday, ich habehab’ noch add#145gar nicht gesagt, wieviel?del#136 Eine Million.“ Warum sag’ ich das? Es ist doch jetzt nicht der Moment zum Spaßen? Aber wenn ich ihm dann sage, um wieviel weniger es in Wirklichkeit ist, wird er sich freuen. Wie er die Augen aufreißt? Hält er es am Ende wirklich für möglich, daß ihn der Papa um eine Million — „Entschuldigen Sie, Herr von Dorsday, daß ich in diesem Augenblick scherze. Es ist mir wahrhaftig nicht scherzhaft zumute.“ Ja, ja, drück’ die Knie nur an, du darfst es dir ja erlauben. „Es handelt sich natürlich nicht um eine Million,add#146 Ach, entschuldigen Sie bitte, es handelt sich im ganzen um dreißigtausend Gulden,add#147 eine lächerliche Summe, Herr von Dorsday, die bis übermorgen Mittag um zwölf Uhr in den Händen des Herrn Doktor Fiala sein müssen. del#137Ja. Mama schreibt mir, daß Papa alle möglichen Versuche gemacht hat, aber wie gesagt, die Verwandten, die in Betracht kämen, befinden sich nicht in Wien.“ O, Gott, wie ich mich erniedrige. „Sonst wäre es dem Papa natürlichadd#148 gar nicht eingefallen, sich an Sie zu wenden, Herr von Dorsday, respektive mich zu bitten —“ Warum schweigt eradd#149 denn? Warum bewegt er keine Miene? Warum sagt er add#150denn nicht Ja? Wo istadd#151 denn das Scheckbuch und die Füllfeder? Er wird doch um Himmels willen nicht Nein sagen? del#138Soll ich mich auf die Knie vor ihm werfen? O Gott! O Gott ‐add#152Ich bring’ mich um, wenn er Nein sagt.
shift#77Feature: pitch; New State: low„Am fünften subst#134sagtensagen Sie, Fräulein Else?“shift#78Feature: pitch; New State: normal ‐del#139 Gott sei Dank, er spricht. „Jawohl übermorgen, Herr von Dorsday, um zwölf Uhr subst#135mittagsMittag. Es wäre also nötig — ich glaube, brieflich ließe sich das kaum mehr erledigen.“ ‐ shift#79Feature: pitch; New State: low„Natürlich nicht, Fräulein Else, das subst#136müßtenmüßen wir wohl auf telegraphischem Wegedel#140“ ‐ ‚Wir‘, das ist gut, das ist sehr gut. ‐ „ subst#137NunAber, das wäreadd#154 ja das wenigste. shift#80Feature: tempo; New State: lWieviel sagten Sie, add#155Fräulein Else?“shift#81Feature: tempo; New State: normalshift#82Feature: pitch; New State: normal ‐ Aber er hat es’s jaadd#156 schon gehört, warum quält er mich denn? „Dreißigtausend, Herr von Dorsday.del#141 Eigentlich eine lächerliche Summe.“ del#142Warum habe ich das gesagt? Wie dumm. Aber er lächelt. Dummes Mädel, denkt er. Er lächelt ganz liebenswürdig. Papa ist gerettet. Er hätte ihm auch fünfzigtausend geliehen, und wir hätten uns allerlei anschaffen können. Ich hätte mir neue Hemden gekauft. Wie gemein ich bin. So wird man. ‐ shift#83Feature: pitch; New State: low„add#157Nun. Nicht ganz so lächerlichadd#158 diese Summe, wie Sie sich das vorstellen, subst#139liebesmein Kinddel#143,“ ‐ Warum sagt er ‚liebes Kind‘? Ist das gut oder schlecht? ‐ „wie Sie sich das vorstellen. Auch dreißigtausend Gulden wollen verdient sein.“shift#84Feature: pitch; New State: normal ‐ del#144„Entschuldigen Sie, Herr von Dorsday, nicht so habe ich es gemeint. Ich dachte nur, wie traurig es ist, daß Papa wegen einer solchen Summe, wegen einer solchen Bagatelle —“ Ach Gott, ich verhasple mich ja schon wieder. „Sie können sich gar nicht denken, Herr von Dorsday, — wenn Sie auch einen gewissen Einblick in unsere Verhältnisse haben, wie furchtbar es für mich und besonders für Mama ist“ ‐ Er stellt den einen Fuß auf die Bank. Soll das elegant sein — oder was? ‐ „O, ich kann mir schon denken, liebe Else.“ ‐ Wie seine Stimme klingt, ganz anders, merkwürdig. ‐ „Und ich habe mir selbst schon manchesmal gedacht: schade, schade um diesen genialen Menschen.“ ‐ Warum sagt er ‚schade‘? Will er das Geld nicht hergeben? Nein, er meint es nur im allgemeinen. mod#9Warum sagt er nicht endlich Ja? del#145Oder nimmt er das als selbstverständlich an? Wie er mich ansieht!Wie er mich ansieht! Warum sagt eradd#159 denn nicht endlich Ja?del#145 Oder nimmt er das als selbstverständlich an? Warum spricht er add#159denn nicht weiter?del#145 Ah, weil die zwei Ungarinnen vorbeigehen. Nun steht er wenigstens wieder anständig da, nicht mehr mit dem Fuß auf der Bank. Die Krawatte ist zu grell für einen älteren Herrn. Sucht ihm die seine Geliebte aus? Nichts besonders Feines ‚unter uns‘, schreibt Mama. Dreißigtausend Gulden! Aber ich lächle ihn ja an. Warum lächle ich denn? O, ich bin feig. ‐ „Und wenn man wenigstens annehmen dürfte, mein liebes Fräulein Else, daß mit dieser Summe wirklich etwas getan wäre? Aber — Sie sind doch ein so kluges Geschöpf, Else, was wären diese dreißigtausend Gulden? Ein Tropfen auf einen heißen Stein.“ ‐ Um Gottes willen, er will das Geld nicht hergeben? Ich darf kein so erschrockenes Gesicht machen. Alles steht auf dem Spiel. Jetzt muß ich etwas Vernünftiges sagen und energisch. „O nein, Herr von Dorsday, diesmal wäre es kein Tropfen auf einen heißen Stein. Der Prozeß Erbesheimer steht bevor, vergessen Sie das nicht, Herr von Dorsday, und der ist schon heute so gut wie gewonnen. Sie hatten ja selbst diese Empfindung, Herr von Dorsday. Und Papa hat auch noch andere Prozesse. Und außerdem habe ich die Absicht, Sie dürfen nicht lachen, Herr von Dorsday, mit Papa zu sprechen, sehr ernsthaft. Er hält etwas auf mich. Ich darf sagen, wenn jemand einen gewissen Einfluß auf ihn zu nehmen imstande ist, so bin es noch am ehesten ich“ ‐ „Sie sind ja ein rührendes, ein entzückendes Geschöpf, Fräulein Else.“ ‐ Seine Stimme klingt schon wieder. Wie zuwider ist mir das, wenn es so zu klingen anfängt bei den Männern. Auch bei Fred mag ich es nicht. ‐ „Ein entzückendes Geschöpf in der Tat.“ ‐ Warum sagt er ‚in der Tat‘? Das ist abgeschmackt. Das sagt man doch nur im Burgtheater. ‐ „Aber so gern ich Ihren Optimismus teilen möchte — wenn der Karren einmal so verfahren ist.“ ‐ „Das ist er nicht, Herr von Dorsday. Wenn ich an Papa nicht glauben würde, wenn ich nicht ganz überzeugt wäre, daß diese dreißigtausend Gulden —“ Ich weiß nicht, was ich weiter sagen soll. Ich kann ihn doch nicht geradezu anbetteln. Er überlegt. Offenbar. Vielleicht weiß er die Adresse von Fiala nicht? Unsinn. Die Situation istadd#160 ja unmöglich. Ich sitze da wie eine arme Sünderin. Er steht vor mir und bohrt mir das Monokel in die Stirn und schweigt. subst#140Ich werde jetzt aufstehen, das ist das beste.Das beste, ich steh’ auf und geh’ weg. del#146Ich lasse mich nicht so behandeln.add#161Der Papa subst#141sollmuss sich add#162eben umbringen. Ich subst#142werdewerd’ michadd#163 eben auch umbringen. Eine Schande dieses Lebenadd#164 sowieso. Am besten wär’s, subst#143sich dort von dem Felsen hinunterzustürzenman stürzte sich dort von dem Felsen herunter und aus wär’s. Geschähe euch mod#10recht, allenallen rechtdel#147,. Ich subst#144stehesteh’ auf.add#165 Ich geh’ weg. ‐ shift#85Feature: pitch; New State: lowshift#86Feature: tempo; New State: a„Fräulein Elseadd#166, ja wohin denn, wohin denn? Aber bitte, Fräulein Else. del#147“ ‐ „Entschuldigen Sie, Herr von Dorsday, daß ich Sie unter diesen Umständen überhaupt bemüht habe. Ich kann Ihr ablehnendes Verhalten natürlich vollkommen verstehen“ ‐ So, aus, ich gehe. ‐ „Bleiben Sie, Fräulein Else.“ ‐ Bleiben Sie, sagt er? Warum soll ich bleiben? Er gibt das Geld her. Ja. Ganz bestimmt. Er muß ja. Aber ich setze mich nicht noch einmal nieder. Ich bleibe stehen, als wär’ es nur für eine halbe Sekunde. Ich bin ein bißchen größer als er. ‐ „Sie habenadd#167 ja meine Antwort nochadd#168 gar nicht shift#87Feature: tempo; New State: normalabgewartet, del#148Elseadd#169aber bitte. del#149Ich war ja schon einmal, verzeihen Sie, Else, daß ich das in diesem Zusammenhang erwähne,“ ‐ Er müßte nicht so oft Else sagen ‐ „in der Lage, dem Papa aus einer Verlegenheit zu helfen. Allerdings mit einer — noch lächerlicheren Summe als diesmal, und schmeichelte mir keineswegs mit der Hoffnung, diesen Betrag jemals wiedersehen zu dürfen, — und so wäre eigentlich kein Grund vorhanden, meine Hilfe diesmal zu verweigern. Und gar wenn ein junges Mädchen wie Sie, Else, wenn Sie selbst als Fürbitterin vor mich hintreten —“ ‐ Worauf will er hinaus? Seine Stimme ‚klingt‘ nicht mehr. Oder anders! Wie sieht er mich denn an? Er soll acht geben!! ‐ „Alsoadd#170 gut, add#171Fräulein Else, ich binadd#172 ja bereit — add#173der Doktor Fiala soll übermorgen um zwölf Uhr subst#145mittagsMittag subst#146dieseine dreißigtausend Gulden haben — unter einer Bedingung“shift#88Feature: pitch; New State: normal ‐ del#150Er soll nicht weiterreden, er soll nicht. „Herr von Dorsday, ich, ich persönlich übernehme die Garantie, daß mein Vater diese Summe zurückerstatten wird, sobald er das Honorar von Erbesheimer erhalten hat. Erbesheimers haben bisher überhaupt noch nichts gezahlt. Noch nicht einmal einen Vorschuß — Mama selbst schreibt mir“ ‐ „Lassen Sie doch, Else, man soll niemals eine Garantie für einen anderen Menschen übernehmen, — nicht einmal für sich selbst.“ ‐ add#174Wie sieht er mich denn an? Was will eradd#175 denn? del#151Seine Stimme klingt schon wieder. Nie hat mich ein Mensch so angeschaut. Ich ahne, wo er hinaus will. Wehe ihm! ‐ „del#152Hätte ich es vor einer Stunde für möglich gehalten, daß ich in einem solchen Falle überhaupt mir jemals einfallen lassen würde, eine Bedingung zu stellen? Und nun tue ich es doch. shift#89Feature: pitch; New State: lowJa, add#176Fräulein Else, man ist eben nur ein Mann, und es ist nicht meine Schuld, daß Sie so schön sind, Else.del#153“ ‐ Was will er? Was will er —? ‐ „Vielleicht hätte ich heute oder morgen das Gleiche von Ihnen erbeten, was ich jetzt erbitten will, auch wenn Sie nicht eine Million, pardon — dreißigtausend Gulden von mir gewünscht hätten. Aber freilich, unter anderen Umständen hätten Sie mir wohl kaum Gelegenheit vergönnt, so lange Zeit unter vier Augen mit Ihnen zu reden“ ‐ „O, ich habe Sie wirklich allzu lange in Anspruch genommen, Herr von Dorsday.“ Das habe ich gut gesagt. Fred wäre zufrieden. Was ist das? Er faßt nach meiner Hand? Was fällt ihm denn ein? ‐ „Wissen Sie es denn nicht schon lange, Else.“ ‐ Er soll meine Hand loslassen! Nun, Gott sei Dank, er läßt sie los. Nicht so nah, nicht so nah. ‐ „ Sie müßten add#178ja keine Frau sein, add#179Fräulein Else, wenn Sie es nicht add#180längst gemerkt hätten. Je vous désire.del#154“ ‐ Er hätte es auch deutsch sagen können, der Herr Vicomte. ‐ „Muß ich noch mehr sagen?“ ‐ „Sie haben schon zu viel gesagt, Herr Dorsday.“ Und ich stehe noch da. Warum denn? Ich gehe, ich gehe ohne Gruß. ‐ „ shift#90Feature: tempo; New State: aElse! add#182Fräulein Else!add#183 Aber bitte, Fräulein Else. Verzeihen Sie. del#155“ ‐ Nun ist er wieder neben mir. ‐ „Verzeihen Siedel#156 mir, Else. del#157Auch ich habe nur einen Scherz gemacht, geradeso wie Sie vorher mit der Million. add#184Ich habe Sie erschreckt. Bitte setzen Sie sich doch wieder hin. del#158Auch mMeine Forderung subst#148stelle ich nicht so hoch —ist ja gar nicht shift#91Feature: tempo; New State: normalso groß subst#149alswie Sie add#185scheinbar shift#92Feature: voice; New State: laughgefürchtet habenshift#93Feature: voice; New State: normaldel#159, wie ich leider sagen muß, — so daß die geringere Sie vielleicht angenehm überraschen wird. del#160Bitte, bleiben Sie doch stehen, Else.“ ‐ Ich bleibe wirklich stehen. Warum denn? Da stehen wir uns gegenüber. Hätte ich ihm nicht einfach ins Gesicht schlagen sollen? Wäre nicht noch jetzt Zeit dazu? Die zwei Engländer kommen vorbei. Jetzt wäre der Moment. Gerade darum. Warum tu’ ich es denn nicht? Ich bin feig, ich bin zerbrochen, ich bin erniedrigt. Was wird er nun wollen statt der Million? Einen Kuß vielleicht? Darüber ließe sich reden. Eine Million zu dreißigtausend verhält sich wie ‐ ‐ Komische Gleichungen gibt es. ‐ „Wenn Sie wirklich einmal eine Million brauchen sollten, Else, ‐ ich bin zwar kein reicher Mann, dann wollen wir sehen. Aber für diesmal will ich genügsam sein, wie Sie. Und für diesmal mod#11will ich iIch willadd#186 ja gar nichts anderesdel#161, Else, alsadd#187 — will ja gar nichts anderes, als — Sie sehen.“shift#94Feature: pitch; New State: normal ‐ IstIs’ er verrücktadd#188 geworden? Er sieht mich doch. add#189— meint er denn? Was will- shift#95Feature: tempo; New State: l — Ah, so meint er dasdel#162, so! del#163Warum schlage ich ihm nicht ins Gesicht, dem Schuften! mod#12del#164Binadd#190Ob ich rot geworden add#190bin oder blaß? add#190Nackt! Nackt subst#152willst duwill er mich sehen? add#190Ein Kunsthändler. Ein Gourmet. add#190Nackt! Nackt subst#153willst duwill er mich sehen? add#190Ein Kunsthändler. Ein Gourmet.shift#96Feature: tempo; New State: normal del#164Binadd#190Ob ich rot geworden add#190bin oder blaß? del#164Das möchte mancher. Ich bin schön, wenn ich nackt bin. Warum schlage ich ihm nicht ins Gesicht? Riesengroß ist sein Gesicht. Warum so nah, du Schuft? Ich will deinen Atem nicht auf meinen Wangen. Warum lasse ich ihn nicht einfach stehen? Bannt mich sein Blick? Wir schauen uns subst#154ins Augein die Augen wie Todfeinde.del#165 Ich möchte ihm Schuft sagen, aber ich kann nicht. Oder will ich nicht? ‐ shift#97Feature: pitch; New State: low„Sie sehen mich an,add#190 Fräulein Else, als wenn ich verrückt wäre. subst#155Ich bin es vielleicht ein wenigVielleicht bin ich verrückt,. del#166denn eEs geht ein Zauber von Ihnen aus, Else, den Sie selbst wohl add#191gar nicht ahnen. del#167Sie müssen fühlen, Else, daß meine Bitte keine Beleidigung bedeutet. Ja, ‚Bitte‘ sage ich, wenn sie auch einer Erpressung zum Verzweifeln ähnlich sieht. Aber iIch bin kein Erpresser,del#168 ich bin nur ein subst#159MenschManndel#169, der mancherlei Erfahrungen gemacht hat, ‐ unter andern die, daß alles auf der Welt seinen Preis hat und daß einer, der sein Geld verschenkt, wenn er in der Lage ist, einen Gegenwert dafür zu bekommen, ein ausgemachter Narr ist. Und — was ich mir diesmal kaufen will, Else, so viel es auch ist, Sie werden nicht ärmer dadurch, daß Sie es verkaufen. Und daß es ein Geheimnis bleiben würde zwischen Ihnen und mir, das schwöre ich Ihnen, Else, bei — bei all den Reizen, durch deren Enthüllung Sie mich beglücken würden.“ ‐ Wo hat er so reden gelernt? Es klingt wie aus einem Buch. ‐ „Und ich schwöre Ihnen auch, daß ich — von der Situation keinen Gebrauch machen werde, der in unserem Vertrag nicht vorgesehen war. Nichts anderes verlangeverlang’ ich von Ihnen, als eine Viertelstunde dastehen dürfen in Andacht vor Ihrer Schönheitadd#192, Fräulein Else. Mein Zimmer liegt im gleichen Stockwerk wie das Ihredel#170, Else, subst#161NummerZimmer Numero fünfundsechzig, leicht zu merken. del#171Der schwedische Tennisspieler, von dem Sie heut’ sprachen, war doch gerade fünfundsechzig Jahre alt?“ ‐ Er ist verrückt! Warum lasse ich ihn weiterreden? Ich bin gelähmt. ‐ „Aber wenn es Ihnen aus irgendeinem GrundeGrund’ nicht subst#163paßtpassen sollte, mich auf Zimmer subst#164NummerNumero fünfundsechzig zu besuchen, add#193Fräulein Else, so schlage ich Ihnen einen kleinen Spaziergang nach dem DinerDinner vor. Es gibt eine Lichtung im Walde, ich subst#166habehab’ sie neulich ganz zufällig entdeckt, kaum fünf Minuten weit von unserem Hotel. ‐ Es wird eine wundervolle Sommernacht heute, beinahe warm, und das Sternenlicht wird Sie herrlich kleiden.del#172“ ‐ Wie zu einer Sklavin spricht er. Ich spucke ihm ins Gesicht. ‐ „ Sie sollen mir nicht gleich antworten, add#195Fräulein Else. Überlegen Sie. Nach dem Dinadd#196ner werden Sie mir gütigst Ihre Entscheidung kundtun.del#173“ ‐ Warum sagt er denn ‚kundtun‘. Was für ein blödes Wort: kundtun. ‐ „Überlegen Sie in aller Ruhe. Sie werden vielleicht spüren, daß es nicht einfach ein Handel ist, den ich Ihnen vorschlage.“ ‐ Was denn, du klingender Schuft! ‐ „Sie werden möglicherweise ahnen, daß ein Mann zu Ihnen spricht, der ziemlich einsam und nicht besonders glücklich ist und der vielleicht einige Nachsicht verdient.“ ‐ Affektierter Schuft. Spricht wie ein schlechter Schauspieler. Seine gepflegten Finger sehen aus wie Krallen. Nein, nein, ich will nicht. Warum sag’ ich es denn nicht. Bring’ dich um, Papa! Was will er denn mit meiner Hand? Ganz schlaff ist mein Arm. Er führt meine Hand an seine Lippen. Heiße Lippen. Pfui! Meine Hand ist kalt. Ich hätte Lust, ihm den Hut herunter zu blasen. Ha, wie komisch wär’ das. Bald ausgeküßt, du Schuft? ‐ Die Bogenlampen vor dem Hotel brennen schon. Zwei Fenster stehen offen im dritten Stock. Das, wo sich der Vorhang bewegt, ist meines. Oben auf dem Schrank glänzt etwas. Nichts liegt oben, es ist nur der Messingbeschlag. ‐ „ Also auf Wiedersehen,add#198 Fräulein Else.“shift#98Feature: pitch; New State: normal ‐ del#174Ich antworte nichts. Regungslos stehe ich da. Er sieht mir ins Auge. Mein Gesicht ist undurchdringlich. Er weiß gar nichts. Er weiß nicht, ob ich kommen werde oder nicht. Ich weiß es auch nicht. Ich weiß nur, daß alles aus ist. Ich bin halbtot. Da geht er. Ein wenig gebückt. del#175Schuft! Er fühlt meinen Blick auf seinem Nacken. Wen grüßt er denn? Zwei Damen. Als wäre er ein Graf, so grüßt er. Paul soll ihn fordern und ihn totschießen. Oder Rudi. Was glaubt er denn eigentlich? Unverschämter Kerl! Nie und nimmer.add#199Mir ist ganz schlecht geworden.del#176 Es wWird diradd#200 gar nichts anderes übrig bleiben, Papa, du mußt dich umbringen. del#177‐ Die Zwei kommen offenbar von einer Tour. Beide hübsch, er und sie. Haben sie noch Zeit, sich vor dem Diner umzukleiden? Sind gewiß auf der Hochzeitsreise oder vielleicht gar nicht verheiratet. Ich werde nie auf einer Hochzeitsreise sein. Dreißigtausend Gulden.del#178 Nein, nein, nein! Gibt es’sadd#201 denn keine dreißigtausend Gulden auf der Welt?del#179 Ich fahre zu Fiala. Ich komme noch zurecht. Gnade, Gnade, Herr Doktor Fiala. Mit Vergnügen, mein Fräulein. Bemühen Sie sich in mein Schlafzimmer. ‐ Tu mir doch den Gefallen, Paul, verlange dreißigtausend Gulden von deinem Vater. Sage, du hast Spielschulden, du mußt dich sonst erschießen. Gern, liebe Kusine. Ich habe Zimmer Nummer soundsoviel, um Mitternacht erwarte ich dich. O, Herr von Dorsday, wie bescheiden sind Sie. Vorläufig. Jetzt kleidet er sich um. Smoking. Also entscheiden wir uns. Wiese im Mondenschein oder Zimmer Nummer fünfundsechzig? Wird er mich im Smoking in den Wald begleiten?
del#180Es ist noch Zeit bis zum Diner. Ein bißchen spazierengehen und die Sache in Ruhe überlegen. Ich bin ein einsamer alter Mann, haha. Himmlische Luft, wie Champagner. Gar nicht mehr kühl — dreißigtausend... dreißigtausend... Ich muß mich jetzt sehr hübsch ausnehmen in der weiten Landschaft. Schade, daß keine Leute mehr im Freien sind. Dem Herrn dort am Waldesrand gefalle ich offenbar sehr gut. O, mein Herr, nackt bin ich noch viel schöner, und es kostet einen Spottpreis, dreißigtausend Gulden. Vielleicht bringen Sie Ihre Freunde mit, dann kommt es billiger. Hoffentlich haben Sie lauter hübsche Freunde, hübschere und jüngere als Herr von Dorsday? Kennen Sie Herrn von Dorsday? Ein Schuft ist er — ein klingender Schuft...
del#181Also üÜberlegen, überlegen... Ein Menschenleben steht auf dem Spiel. Das Leben subst#170von Papameines Vaters. Aberdel#182 nein, subst#171ermein Papa, der bringt sich nicht add#202so schnell um, subst#172er wird sich lieber einsperren lassen.der lässt sich lieber einsperren.add#203 shift#99Feature: voice; New State: laughHmhm.shift#100Feature: voice; New State: normal Drei Jahre schweresubst#173rn Kerker oder fünf. In dieser ewigen Angst lebt eradd#204 ja schon add#205seit fünf oder zehn subst#174JahreJahren.del#183... Mündelgelder... del#184Und add#207Die Mama subst#175geradesogenauso.del#185 Und iIch doch auch.del#186 ‐ Vor wem werde ich mich das nächste Mal nackt ausziehen müssen? Oder bleiben wir der Einfachheit wegen bei Herrn Dorsday? Seine jetzige Geliebte ist ja nichts Feines ‚unter uns gesagt‘. Ich wäre ihm gewiß lieber. Es ist gar nicht so ausgemacht, ob ich viel feiner bin. Tun Sie nicht vornehm, Fräulein Else, ich könnte Geschichten von Ihnen erzählen... einen gewissen Traum zum Beispiel, den Sie schon dreimal gehabt haben — von dem haben Sie nicht einmal Ihrer Freundin Bertha erzählt. Und die verträgt doch was. Und wie war denn das heuer in Gmunden in der Früh um sechs auf dem Balkon, mein vornehmes Fräulein Else? Haben Sie die zwei jungen Leute im Kahn vielleicht gar nicht bemerkt, die Sie angestarrt haben? Mein Gesicht haben sie vom See aus freilich nicht genau ausnehmen können, aber daß ich im Hemd war, das haben sie schon bemerkt. Und ich hab’ mich gefreut. Ah, mehr als gefreut. Ich war wie berauscht. Mit beiden Händen hab’ ich mich über die Hüften gestrichen und vor mir selber hab’ ich getan, als wüßte ich nicht, daß man mich sieht. Und der Kahn hat sich nicht vom Fleck bewegt. Ja, so bin ich, so bin ich. Ein Luder, ja. Sie spüren es ja alle. Auch Paul spürt es. Natürlich, er ist ja Frauenarzt. Und der Marineleutnant hat es ja auch gespürt und der Maler auch. Nur Fred, der dumme Kerl spürt es nicht. Darum liebt er mich ja. Aber gerade vor ihm möchte ich nicht nackt sein, nie und nimmer. Ich hätte gar keine Freude davon. Ich möchte mich schämen. Aber vor dem Filou mit dem Römerkopf — wie gern. Am allerliebsten vor dem. Und wenn ich gleich nachher sterben müßte. Aber es ist ja nicht notwendig gleich nachher zu sterben. Man überlebt es. Die Bertha hat mehr überlebt. Cissy liegt sicher auch nackt da, wenn Paul zu ihr schleicht durch die Hotelgänge, wie ich heute Nacht zu Herrn von Dorsday schleichen werde.
del#187Nein, nein. Ich will nicht. Zu jedem andern — aber nicht zu ihm. Zu Paul meinetwegen. Oder ich such’ mir einen aus heute abend beim Diner. Es ist ja alles egal. Aber ich kann doch nicht jedem sagen, daß ich dreißigtausend Gulden dafür haben will! Da wäre ich ja wie ein Frauenzimmer von der Kärntnerstraße. Nein, ich verkaufe mich nicht. Niemals. Nie werde ich mich verkaufen. Ich schenke mich her. Ja, wenn ich einmal den Rechten finde, schenke ich mich her. Aber ich verkaufe mich nicht. Ein Luder will ich sein, aber nicht eine Dirne. Sie haben sich verrechnet, Herr von Dorsday. Und der Papa auch. Ja, verrechnet hat er sich. Er muß es ja vorher gesehen haben. Er kennt ja die Menschen. Er kennt doch den Herrn von Dorsday. Er hat sich doch denken können, daß der Herr Dorsday nicht für nichts und wieder nichts —. Sonst hätte er doch telegraphieren oder selber herreisen können. Aber so war es bequemer und sicherer, nicht wahr, Papa? Wenn man eine so hübsche Tochter hat, wozu braucht man ins Zuchthaus zu spazieren? Und die Mama, dumm wie sie ist, setzt sich hin und schreibt den Brief. Der Papa hat sich nicht getraut. Da hätte ich es ja gleich merken müssen. Aber es soll Euch nicht glücken. Nein, du hast zu sicher auf meine kindliche Zärtlichkeit spekuliert, Papa, zu sicher darauf gerechnet, daß ich lieber jede Gemeinheit erdulden würde als dich die Folgen deines verbrecherischen Leichtsinns tragen zu lassen. Ein Genie bist du ja. Herr von Dorsday sagt es, alle Leute sagen es. Aber was hilft mir das. Fiala ist eine Null, aber er unterschlägt keine Mündelgelder, sogar Waldheim ist nicht in einem Atem mit dir zu nennen... Wer hat das nur gesagt? Der Doktor Froriep. Ein Genie ist Ihr Papa. ‐ Und ich hab’ ihn erst einmal reden gehört! ‐ Im vorigen Jahr im Schwurgerichtssaal ‐ ‐ zum ersten- und letztenmal! Herrlich! Die Tränen sind mir über die Wangen gelaufen. Und der elende Kerl, den er verteidigt hat, ist freigesprochen worden. Er war vielleicht gar kein so elender Kerl. Er hat jedenfalls nur gestohlen, keine Mündelgelder veruntreut, um Bakkarat zu spielen und auf der Börse zu spekulieren. Und jetzt wird der Papa selber vor den Geschworenen stehen. In allen Zeitungen wird man es lesen. Zweiter Verhandlungstag, dritter Verhandlungstag; der Verteidiger erhob sich zu einer Replik. Wer wird denn sein Verteidiger sein? Kein Genie. Nichts wird ihm helfen. Einstimmig schuldig. Verurteilt auf fünf Jahre. Stein, Sträflingskleid, geschorene Haare. Einmal im Monat darf man ihn besuchen. Ich fahre mit Mama hinaus, dritter Klasse. Wir haben ja kein Geld. Keiner leiht uns was. Kleine Wohnung in der Lerchenfelderstraße, so wie die, wo ich die Nähterin besucht habe vor zehn Jahren. Wir bringen ihm etwas zu essen mit. Woher denn? Wir haben ja selber nichts. Onkel Viktor wird uns eine Rente aussetzen. Dreihundert Gulden monatlich. Rudi wird in Holland sein bei Vanderhulst — wenn man noch auf ihn reflektiert. Die Kinder des Sträflings! Roman von Temme in drei Bänden. Der Papa empfängt uns im gestreiften Sträflingsanzug. Er schaut nicht bös drein, nur traurig. Er kann ja gar nicht bös dreinschauen. ‐ Else, wenn du mir damals das Geld verschafft hättest, das wird er sich denken, aber er wird nichts sagen. Er wird nicht das Herz haben, mir Vorwürfe zu machen. Er ist ja seelengut, nur leichtsinnig ist er. Sein Verhängnis ist die Spielleidenschaft. Er kann ja nichts dafür, es ist eine Art von Wahnsinn. Vielleicht spricht man ihn frei, weil er wahnsinnig ist. Auch den Brief hat er vorher nicht überlegt. Es ist ihm vielleicht gar nicht eingefallen, daß Dorsday die Gelegenheit benützen könnte, und so eine Gemeinheit von mir verlangen wird. Er ist ein guter Freund unseres Hauses, er hat dem Papa schon einmal achttausend Gulden geliehen. Wie soll man so was von einem Menschen denken. Zuerst hat der Papa sicher alles andere versucht. Was muß er durchgemacht haben, ehe er die Mama veranlaßt hat, diesen Brief zu schreiben? Von einem zum andern ist er gelaufen, von Warsdorf zu Burin, von Burin zu Wertheimstein und weiß Gott noch zu wem. Bei Onkel Karl war er gewiß auch. Und alle haben sie ihn im Stich gelassen. Alle die sogenannten Freunde. Und nun ist Dorsday seine Hoffnung, seine letzte Hoffnung. Und wenn das Geld nicht kommt, so bringt er sich um. Natürlich bringt er sich um. Er wird sich doch nicht einsperren lassen. Untersuchungshaft, Verhandlung, Schwurgericht, Kerker, Sträflingsgewand. Nein, nein! Wenn der Haftbefehl kommt, erschießt er sich oder hängt sich auf. Am Fensterkreuz wird er hängen. Man wird herüberschicken vom Haus vis‐à‐vis, der Schlosser wird aufsperren müssen und ich bin schuld gewesen. Und jetzt sitzt er zusammen mit Mama im selben Zimmer, wo er übermorgen hängen wird, und raucht eine Havannazigarre. Woher hat er immer noch Havannazigarren? Ich höre ihn sprechen, wie er die Mama beruhigt. Verlaß dich drauf, Dorsday weist das Geld an. Bedenke doch, ich habe ihm heuer im Winter eine große Summe durch meine Intervention gerettet. Und dann kommt der Prozeß Erbesheimer... ‐ Wahrhaftig. ‐ Ich höre ihn sprechen. Telepathie! Merkwürdig. Auch Fred seh ich in diesem Moment. Er geht mit einem Mädel im Stadtpark am Kursalon vorbei. Sie hat eine hellblaue Bluse und lichte Schuhe und ein bißl heiser ist sie. Das weiß ich alles ganz bestimmt. Wenn ich nach Wien komme, werde ich Fred fragen, ob er am dritten September zwischen halb acht und acht Uhr abends mit seiner Geliebten im Stadtpark war.
del#188Wohin denn noch? Was ist denn mit mir? Beinahe ganz dunkel. Wie schön und ruhig. Weit und breit kein Mensch. Nun sitzen sie alle schon beim Diner. Telepathie? Nein, das ist noch keine Telepathie. Ich habe ja früher das Tamtam gehört. Wo ist die Else? wird sich Paul denken. Es wird allen auffallen, wenn ich zur Vorspeise noch nicht da bin. Sie werden zu mir heraufschicken. Was ist das mit Else? Sie ist doch sonst so pünktlich? Auch die zwei Herren am Fenster werden denken: Wo ist denn heute das schöne junge Mädel mit dem rötlich blonden Haar? Und Herr von Dorsday wird Angst bekommen. Er ist sicher feig. Beruhigen Sie sich, Herr von Dorsday, es wird Ihnen nichts geschehen. Ich verachte Sie ja so sehr. Wenn ich wollte, morgen abend wären Sie ein toter Mann. ‐ Ich bin überzeugt, Paul würde ihn fordern, wenn ich ihm die Sache erzählte. Ich schenke Ihnen das Leben, Herr von Dorsday.
del#189Wie ungeheuer weit die Wiesen und wie riesig schwarz die Berge. Keine Sterne beinahe. Ja doch, drei, vier, — es werden schon mehr. Und so still der Wald hinter mir. Schön hier auf der Bank am Waldesrand zu sitzen. So fern, so fern das Hotel und so märchenhaft leuchtet es her. Und was für Schufte sitzen drin. Ach nein, Menschen, arme Menschen, sie tun mir alle so leid. Auch die Marchesa tut mir leid, ich weiß nicht warum, und die Frau Winawer und die Bonne von Cissys kleinem Mädel. Sie sitzt nicht an der Table d’hôtes, sie hat schon früher mit Fritzi gegessen. Was ist das nur mit Else, fragt Cissy. Wie, auf ihrem Zimmer ist sie auch nicht? Alle haben sie Angst um mich, ganz gewiß. Nur ich habe keine Angst. Ja, dDa subst#178binsitz’ ich in Martino di Castrozza, del#190sitze auf einer Bank am Waldesrand und die Luft ist wie Champagner und mir scheint gar, ich weine. subst#179JaHm, warum weinewein’ ich denn? del#191Es ist doch kein Grund zu weinen. Das sind die Nerven. del#192Ich muß mich beherrschen. Ich darf mich nicht so gehen lassen. subst#181Aber das Weinen ist gar nicht unangenehm. Das Weinen tut mir immer wohl.Aber Weinen tut mir immer gut. Ich wein’ ganz gern. del#193Wie ich unsere alte Französin besucht habe im Krankenhaus, die dann gestorben ist, habe ich auch geweint. Und beim Begräbnis von der Großmama, und wie die Bertha nach Nürnberg gereist ist, und wie das Kleine von der Agathe gestorben ist, und im Theater bei der Kameliendame hab’ ich auch geweint. Wer wird weinen, wenn ich tot bin? del#194O, wie sSchön wärewär’ das tot zu sein. Aufgebahrt liegelieg’ ich im Salon, die Kerzen brennen. del#195Lange Kerzen. Zwölf lange Kerzen. Unten steht del#196schon der Leichenwagen. Vor dem Haustor stehen add#208die Leute. Wie alt war sie denn? Erst neunzehn. Wirklich erst neunzehn? ‐ add#209Ja, Ddenken Sie sich, ihr Papa ist im Zuchthaus.add#210 Das arme Kind. Ja, Wwarum hat sie sich denn umgebracht? Aus unglücklicher Liebe zu einem Filou. del#197Aber was fällt Ihnen denn ein? Sie hätte ein Kind kriegen sollen. Nein, sie ist vom Cimone heruntergestürzt. Es ist ein Unglücksfall. add#211Ah, Gguten Tag, Herradd#212 von Dorsday, Sie erweisen der kleinen Else auch die letzte Ehre? del#198Kleine Else, sagt das alte Weib. ‐ Warum denn? shift#101Feature: pitch; New State: lowadd#213Ja, Nnatürlich, ich muß ihradd#214 ja die letzte Ehre erweisen. Ich habe ihr ja auch die erste Schande erwiesen. O, es war der Mühe wertdel#199, Frau Winawer, ich habe noch nie einen so schönen Körper gesehen.shift#102Feature: pitch; New State: normaldel#200 Es hat mich nur dreißig Millionen gekostet. Ein Rubens kostet dreimal so viel. Mit Haschisch hat sie sich vergiftet. Sie wollte nur schöne Visionen haben, aber sie hat zu viel genommen und ist nicht mehr aufgewacht. Warum hat er denn ein rotes Monokel der Herr Dorsday? Wem winkt er denn mit dem Taschentuch? Die Mama kommt die Treppe herunter add#215in Trauerschleier gehüllt. del#201und küßt ihm die Hand. Pfui, pfui. Jetzt flüstern sie miteinander. Ich kann nichts verstehen, weil ich aufgebahrt bin. Der Veilchenkranz um meine Stirn ist von Paul. Die Schleifen fallen bis auf den Boden. Kein Mensch traut sich ins Zimmer. Ich stehe lieber auf und schaue zum Fenster hinaus. Was für ein großer blauer See! Hundert Schiffe mit gelben Segeln —. Die Wellen glitzern. So viel Sonne. Regatta. Die Herren haben alle Ruderleibchen. Die Damen sind im Schwimmkostüm. Das ist unanständig. Sie bilden sich ein, ich bin nackt. Wie dumm sie sind. Ich habe ja schwarze Trauerkleider an, weil ich tot bin. Ich werde es euch beweisen. Ich lege mich gleich wieder auf die Bahre hin. Wo ist sie denn? Fort ist sie. Man hat sie davongetragen. Man hat sie unterschlagen. Darum ist der Papa im Zuchthaus. Und sie haben ihn doch freigesprochen auf drei Jahre. Die Geschworenen sind alle bestochen von Fiala. Ich werdewerd’ jetzt zu Fuß auf den Friedhof gehen, da erspart die Mama das Begräbnis. Wir müssen uns einschränken. add#216O, Iich gehegeh’ so schnell, shift#103Feature: voice; New State: laughdaß mir keiner nachkommt.shift#104Feature: voice; New State: normal del#202Ah, wWie schnell ich gehen kann. del#203Da bleiben sie alle auf den Straßen stehen und wundern sich. Wie darf man jemanden so anschaun, der tot ist! Das ist zudringlich. Ich gehe lieber übers Feld, das ist ganz blau von Vergißmeinnicht und Veilchen. Die Marineoffiziere stehen Spalier. Guten Morgen, meine Herren. Öffnen Sie das Tor, Herr Matador. Erkennen Sie mich nicht? Ich bin ja die Tote... Sie müssen mir darum nicht die Hand küssen... Wo ist denn meine Gruft? add#217Wo ist denn meine Gruft? Hat subst#193mander Papa die auch unterschlagen? add#218Ah! Gott sei Dank, subst#194esdas istis’ gar nicht der Friedhof. add#219Das is’ ja — Ddas istis’ ja der Park in Mentone. add#220Ah! Der Papa wird sich freuen, daß ich nicht begraben bin.del#204 Vor den Schlangen habe ich keine Angst. Wenn mich nur keine in den Fuß beißt. O weh.
Was ist denn? Wo bin ich denn? HabeHab’ ich geschlafen? Ja. del#205Geschlafen habe ich. Ich muß sogar geträumt haben. subst#199Mir ist so kalt in den FüßenMir is’ ja ganz kalt.del#206 Im rechten Fuß ist mir kalt. Wieso denn? Da ist am Knöchel ein kleiner Riß im Strumpf. Warum sitzesitz’ ich dennadd#221 da überhaupt noch im Wald? Es muß ja längst geläutet haben zum Diner.del#207 Dinner.
shift#105Feature: voice; New State: yawnO Gott,shift#106Feature: voice; New State: normaladd#222 o Gott, wo war ich dennadd#223 da? So weit mod#13war ich fortfort war ich. del#208Was hab ich denn geträumt? Ich glaube ich war schon tot. Und keine Sorgen habe ich gehabt und mir nicht den Kopf zerbrechen müssen. Dreißigtausend, dreißigtausend... ich habe sie noch nicht. Ich muß sie mir erst verdienen. Und da sitz’ ich allein am Waldesrand. Das Hotel leuchtet bis her. Ich muß zurück. Es ist schrecklich, daß ich zurück muß. Aber es ist keine Zeit mehr zu verlieren. Herr von Dorsday erwartet meine Entscheidung. Entscheidung. Entscheidung! Nein. Nein, Herr von Dorsday, kurz und gut, nein. Sie haben gescherzt, Herr von Dorsday, selbstverständlich. Ja, das werde ich ihm sagen. O, das ist ausgezeichnet. Ihr Scherz war nicht sehr vornehm, Herr von Dorsday, aber ich will Ihnen verzeihen. Ich telegraphiere morgen früh an Papa, Herr von Dorsday, daß das Geld pünktlich in Doktor Fialas Händen sein wird. Wunderbar. Das sage ich ihm. Da bleibt ihm nichts übrig, er muß das Geld abschicken. Muß? Muß er? Warum muß er denn? Und wenn er’s täte, so würde er sich dann rächen irgendwie. Er würde es so einrichten, daß das Geld zu spät kommt. Oder er würde das Geld schicken und dann überall erzählen, daß er mich gehabt hat. Aber er schickt ja das Geld gar nicht ab. Nein, Fräulein Else, so haben wir nicht gewettet. Telegraphieren Sie dem Papa, was Ihnen beliebt, ich schicke das Geld nicht ab. Sie sollen nicht glauben, Fräulein Else, daß ich mich von so einem kleinen Mädel übertölpeln lasse, ich der Vicomte von Eperies.
Ich muß add#224ganz vorsichtig add#225zurückgehen. Der Weg ist ganz dunkeladd#226 geworden.add#227 Is’ aber Ssonderbar, subst#202es ist mirmir is’ add#228viel wohler als vorher.del#209 Es hHat sich doch gar nichts geändertdel#210 und . mMir istis’add#230 viel wohler. Was habehab’ ich del#211denn nur geträumt?del#212 Von einem Matador? Was war denn das für ein Matador? Es ist doch weiter zum Hotel, als ich gedacht habe. subst#207SDie sitzen gewiß noch alle beim DinerDinner. del#213Ich werde mich ruhig an den Tisch setzen und sagen, daß ich Migräne gehabt habe und lasse mir nachservieren. Herr von Dorsday wird am Ende selbst zu mir kommen und mir sagen, daß das Ganze nur ein Scherz war. Entschuldigen Sie, Fräulein Else, entschuldigen Sie den schlechten Spaß, ich habe schon an meine Bank telegraphiert. Aber er wird es nicht sagen. Er hat nicht telegraphiert. Es ist alles noch genau so wie früher. subst#209ErAlles wartet.add#231 Auf mich. Herr von Dorsday wartetadd#232 auch. add#233Aber ich will nicht.shift#107Feature: voice; New State: emphasis Ich will nicht.shift#108Feature: voice; New State: normal Herr von Dorsday, ich will nicht. del#214 Nein, ich will ihn nicht sehen. Ich kann ihn nicht mehr sehen. Ich will niemanden mehr sehen. Ich will nicht mehr ins Hotel, ich will nicht mehr nach Hause, ich will nicht nach Wien, zu niemandem will ich, zu keinem Menschen, nicht zu Papa und nicht zu Mama, nicht zu Rudi und nicht zu Fred, nicht zu Berta und nicht zu Tante Irene. Die ist noch die beste, die würde alles verstehen. Aber ich habe nichts mehr mit ihr zu tun und mit niemandem mehr. Wenn ich zaubern könnte, wäre ich ganz wo anders in der Welt. Auf irgendeinem herrlichen Schiff im Mittelländischen Meer, aber nicht allein. Mit Paul zum Beispiel. Ja, das könnte ich mir ganz gut vorstellen. Oder ich wohnte in einer Villa am Meer, und wir lägen auf den Marmorstufen, die ins Wasser führen, und er hielte mich fest in seinen Armen und bisse mich in die Lippen, wie es Albert vor zwei Jahren getan hat beim Klavier, der unverschämte Kerl. Nein. Allein möchte ich am Meer liegen auf den Marmorstufen und warten. Und endlich käme Einer oder mehrere, und ich hätte die Wahl und die Andern, die ich verschmähe, die stürzen sich aus Verzweiflung alle ins Meer. Oder sie müßten Geduld haben bis zum nächsten Tag. Ach, was wäre das für ein köstliches Leben. Wozu habe ich denn meine herrlichen Schultern und meine schönen schlanken Beine? Und wozu bin ich denn überhaupt auf der Welt? Und es geschähe ihnen ganz recht, ihnen allen, sie haben mich ja doch nur daraufhin erzogen, daß ich mich verkaufe, so oder so. Vom Theaterspielen haben sie nichts wissen wollen. Da haben sie mich ausgelacht. Und es wäre ihnen ganz recht gewesen im vorigen Jahr, wenn ich den Direktor Wilomitzer geheiratet hätte, der bald fünfzig ist. Nur daß sie mir nicht zugeredet haben. Da hat sich der Papa doch geniert. Aber die Mama hat ganz deutliche Anspielungen gemacht.
del#215Wie riesig es dasteht das Hotel, wie eine ungeheuere beleuchtete Zauberburg. Alles ist so riesig. Die Berge auch. Man könnte sich fürchten. Noch nie waren sie so schwarz. Der Mond ist noch nicht da. Der geht erst zur Vorstellung auf, zur großen Vorstellung auf der Wiese, wenn der Herr von Dorsday seine Sklavin nackt tanzen läßt. Was geht mich denn der Herr Dorsday an? Nun, Mademoiselle Else, was machen Sie denn für Geschichten? Sie waren doch schon bereit auf und davon zu gehen, die Geliebte von fremden Männern zu werden, von einem nach dem andern. Und auf die Kleinigkeit, die Herr von Dorsday von Ihnen verlangt, kommt es Ihnen an? Für einen Perlenschmuck, für schöne Kleider, für eine Villa am Meer sind Sie bereit sich zu verkaufen? Und das Leben Ihres Vaters ist Ihnen nicht so viel wert? Es wäre gerade der richtige Anfang. Es wäre dann gleich die Rechtfertigung für alles andere. Ihr wart es, könnt’ ich sagen, Ihr habt mich dazu gemacht, Ihr alle seid schuld, daß ich so geworden bin, nicht nur Papa und Mama. Auch der Rudi ist schuld und der Fred und alle, alle, weil sich ja niemand um einen kümmert. Ein bißchen Zärtlichkeit, wenn man hübsch aussieht, und ein bißl Besorgtheit, wenn man Fieber hat, und in die Schule schicken sie einen, und zu Hause lernt man Klavier und Französisch, und im Sommer geht man auf’s Land und zum Geburtstag kriegt man Geschenke und bei Tisch reden sie über allerlei. Aber was in mir vorgeht und was in mir wühlt und Angst hat, habt ihr euch darum je gekümmert? Manchmal im Blick von Papa war eine Ahnung davon, aber ganz flüchtig. Und dann war gleich wieder der Beruf da, und die Sorgen und das Börsenspiel — und wahrscheinlich irgendein Frauenzimmer ganz im geheimen, ‚nichts sehr Feines unter uns‘, — und ich war wieder allein. Nun, was tätst du Papa, was tätst du heute, wenn ich nicht da wäre?
del#216Da stehe ich, ja da stehe ich vor dem Hotel. ‐ Furchtbar da hineingehen zu müssen, alle die Leute sehen, den Herrn von Dorsday, die Tante, Cissy. Wie schön war das früher auf der Bank am Waldesrand, wie ich schon tot war. Matador — wenn ich nur drauf käm’, was — eine Regatta war es, richtig und ich habe vom Fenster aus zugesehen. Aber wer war der Matador? ‐ Wenn ich nur nicht so müd’ wäre, so furchtbar müde. Und da soll ich bis Mitternacht aufbleiben und mich dann ins Zimmer von Herrn von Dorsday schleichen? Vielleicht begegne ich der Cissy auf dem Gang. Hat sie was an unter dem Schlafrock, wenn sie zu ihm kommt? Es ist schwer, wenn man in solchen Dingen nicht geübt ist. Soll ich sie nicht um Rat fragen, die Cissy? Natürlich würde ich nicht sagen, daß es sich um Dorsday handelt, sondern sie müßte sich denken, ich habe ein nächtliches Rendezvous mit einem von den hübschen jungen Leuten hier im Hotel. Zum Beispiel mit dem langen blonden Menschen, der die leuchtenden Augen hat. Aber der ist ja nicht mehr da. Plötzlich war er verschwunden. Ich habe doch gar nicht an ihn gedacht bis zu diesem Augenblick. Aber es ist leider nicht der lange blonde Mensch mit den leuchtenden Augen, auch der Paul ist es nicht, es ist der Herr von Dorsday. Also wie mach’ ich es denn? Was sage ich ihm? Einfach Ja? Ich kann doch nicht zu Herrn Dorsday ins Zimmer kommen. Er hat sicher lauter elegante Flakons auf dem Waschtisch, und das Zimmer riecht nach französischem Parfüm. Nein, nicht um die Welt zu ihm. Lieber im Freien. Da geht er mich nichts an. Der Himmel ist so hoch und die Wiese ist so groß. Ich muß gar nicht an den Herrn Dorsday denken. Ich muß ihn nicht einmal anschauen. Und wenn er es wagen würde, mich anzurühren, einen Tritt bekäme er mit meinen nackten Füßen. Ach, wenn es doch ein anderer wäre, irgendein anderer. Alles, alles könnte er von mir haben heute Nacht, jeder andere, nur Dorsday nicht. Und gerade der! Gerade der! Wie seine Augen stechen und bohren werden. Mit dem Monokel wird er dastehen und grinsen. Aber nein, er wird nicht grinsen. Er wird ein vornehmes Gesicht schneiden. Elegant. Er ist ja solche Dinge gewohnt. Wie viele hat er schon so gesehen? Hundert oder tausend? Aber war schon eine darunter wie ich? Nein, gewiß nicht. Ich werde ihm sagen, daß er nicht der Erste ist, der mich so sieht. Ich werde ihm sagen, daß ich einen Geliebten habe. Aber erst, wenn die dreißigtausend Gulden an Fiala abgesandt sind. Dann werde ich ihm sagen, daß er ein Narr war, daß er mich auch hätte haben können um dasselbe Geld. ‐ Daß ich schon zehn Liebhaber gehabt habe, zwanzig, hundert. ‐ Aber das wird er mir ja alles nicht glauben. ‐ Und wenn er es mir glaubt, was hilft es mir? ‐ Wenn ich ihm nur irgendwie die Freude verderben könnte. Wenn noch einer dabei wäre? Warum nicht? Er hat ja nicht gesagt, daß er mit mir allein sein muß. Ach, Herr von Dorsday, ich habe solche Angst vor Ihnen. Wollen Sie mir nicht freundlichst gestatten, einen guten Bekannten mitzubringen? O, das ist keineswegs gegen die Abrede, Herr von Dorsday. Wenn es mir beliebte, dürfte ich das ganze Hotel dazu einladen, und Sie wären trotzdem verpflichtet, die dreißigtausend Gulden abzuschicken. Aber ich begnüge mich damit, meinen Vetter Paul mitzubringen. Oder ziehen Sie etwa einen andern vor? Der lange blonde Mensch ist leider nicht mehr da und der Filou mit dem Römerkopf leider auch nicht. Aber ich find’ schon noch wen andern. Sie fürchten Indiskretion? Darauf kommt es ja nicht an. Ich lege keinen Wert auf Diskretion. Wenn man einmal so weit ist wie ich, dann ist alles ganz egal. Das ist heute ja nur der Anfang. Oder denken Sie, aus diesem Abenteuer fahre ich wieder nach Hause als anständiges Mädchen aus guter Familie? Nein, weder gute Familie noch anständiges junges Mädchen. Das wäre erledigt. Ich stelle mich jetzt auf meine eigenen Beine. Ich habe schöne Beine, Herr von Dorsday, wie Sie und die übrigen Teilnehmer des Festes bald zu bemerken Gelegenheit haben werden. Also die Sache ist in Ordnung, Herr von Dorsday. Um zehn Uhr, während alles noch in der Halle sitzt, wandern wir im Mondenschein über die Wiese, durch den Wald nach Ihrer berühmten selbstentdeckten Lichtung. Das Telegramm an die Bank bringen Sie für alle Fälle gleich mit. Denn eine Sicherheit darf ich doch wohl verlangen von einem solchen Spitzbuben wie Sie. Und um Mitternacht können Sie wieder nach Hause gehen, und ich bleibe mit meinem Vetter oder sonst wem auf der Wiese im Mondenschein. Sie haben doch nichts dagegen, Herr von Dorsday? Das dürfen Sie gar nicht. Und wenn ich morgen früh zufällig tot sein sollte, so wundern sie sich weiter nicht. Dann wird eben Paul das Telegramm aufgeben. Dafür wird schon gesorgt sein. Aber bilden Sie sich dann um Gottes willen nicht ein, daß Sie, elender Kerl, mich in den Tod getrieben haben. Ich weiß ja schon lange, daß es so mit mir enden wird. Fragen Sie doch nur meinen Freund Fred, ob ich es ihm nicht schon öfters gesagt habe. Fred, das ist nämlich Herr Friedrich Wenkheim, nebstbei der einzige anständige Mensch, den ich in meinem Leben kennengelernt habe. Der einzige, den ich geliebt hätte, wenn er nicht ein gar so anständiger Mensch wäre. Ja, ein so verworfenes Geschöpf bin ich. Bin nicht geschaffen für eine bürgerliche Existenz, und Talent habe ich auch keines. Für unsere Familie wäre es sowieso das Beste, sie stürbe aus. Mit dem Rudi wird auch schon irgendein Malheur geschehen. Der wird sich in Schulden stürzen für eine holländische Chansonette und bei Vanderhulst defraudieren. Das ist schon so in unserer Familie. Und der jüngste Bruder von meinem Vater, der hat sich erschossen, wie er fünfzehn Jahre alt war. Kein Mensch weiß warum. Ich habe ihn nicht gekannt. Lassen Sie sich die Photographie zeigen, Herr von Dorsday. Wir haben sie in einem Album... Ich soll ihm ähnlich sehen. Kein Mensch weiß, warum er sich umgebracht hat. Und von mir wird es auch keiner wissen. Ihretwegen keinesfalls, Herr von Dorsday. Die Ehre tue ich Ihnen nicht an. Ob mit neunzehn oder einundzwanzig, das ist doch egal. Oder soll ich Bonne werden oder Telephonistin oder einen Herrn Wilomitzer heiraten oder mich von Ihnen aushalten lassen? Es ist alles gleich ekelhaft, und ich komme überhaupt gar nicht mit Ihnen auf die Wiese. Nein, das ist alles viel zu anstrengend und zu dumm und zu widerwärtig. Wenn ich tot bin, werden Sie schon die Güte haben und die paar tausend Gulden für den Papa absenden, denn es wäre doch zu traurig, wenn er gerade an dem Tage verhaftet würde, an dem man meine Leiche nach Wien bringt. Aber ich werde einen Brief hinterlassen mit testamentarischer Verfügung: Herr von Dorsday hat das Recht, meinen Leichnam zu sehen. Meinen schönen nackten Mädchenleichnam. So können Sie sich nicht beklagen, Herr von Dorsday, daß ich Sie übers Ohr gehaut habe. Sie haben doch was für Ihr Geld. Daß ich noch lebendig sein muß, das steht nicht in unserem Kontrakt. O nein. Das steht nirgends geschrieben. Also den Anblick meines Leichnams vermache ich dem Kunsthändler Dorsday, und Herrn Fred Wenkheim vermache ich mein Tagebuch aus meinem siebzehnten Lebensjahr — weiter habe ich nicht geschrieben — und dem Fräulein bei Cissy vermache ich die fünf Zwanzigfranks‐Stücke, die ich vor Jahren aus der Schweiz mitgebracht habe. Sie liegen im Schreibtisch neben den Briefen. Und Bertha vermache ich das schwarze Abendkleid. Und Agathe meine Bücher. Und meinem Vetter Paul, dem vermache ich einen Kuß auf meine blassen Lippen. Und der Cissy vermache ich mein Rakett, weil ich edel bin. Und man soll mich gleich hier begraben in San Martino di Castrozza auf dem schönen kleinen Friedhof. Ich will nicht mehr zurück nach Hause. Auch als Tote will ich nicht mehr zurück. Und Papa und Mama sollen sich nicht kränken, mir geht es besser als ihnen. Und ich verzeihe ihnen. Es ist nicht schade um mich. ‐ Haha, was für ein komisches Testament. Ich bin wirklich gerührt. Wenn ich denke, daß ich morgen um die Zeit, während die andern beim Diner sitzen, schon tot bin? ‐ Die Tante Emma wird natürlich nicht zum Diner herunterkommen und Paul auch nicht. Sie werden sich auf dem Zimmer servieren lassen. Neugierig bin ich, wie sich Cissy benehmen wird. Nur werde ich es leider nicht erfahren. Gar nichts mehr werde ich erfahren. Oder vielleicht weiß man noch alles, so lange man nicht begraben ist? Und am Ende bin ich nur scheintot. Und wenn der Herr von Dorsday an meinen Leichnam tritt, so erwache ich und schlage die Augen auf, da läßt er vor Schreck das Monokel fallen.
del#217Aber es ist ja leider alles nicht wahr. Ich werde nicht scheintot sein und tot auch nicht. Ich werde mich überhaupt gar nicht umbringen, ich bin ja viel zu feig. Wenn ich auch eine couragierte Kletterin bin, feig bin ich doch. Und vielleicht habe ich nicht einmal genug Veronal. Wieviel Pulver braucht man denn? Sechs glaube ich. Aber zehn ist sicherer. Ich glaube, es sind noch zehn. Ja, das werden genug sein.
Zum wievielten Mal lauf’ ich jetzt subst#210eigentlichschon um das Hotel herum?add#234 Muss ja doch hinein.del#218 Also was jetzt? Da steh’ ich vor dem Tor. In der Halle istis’ noch niemand. del#219Natürlich — sie sitzen ja mod#14noch alleaAlleadd#235s noch beim DinerDinner.add#235 Gott sei Dank. del#220Seltsam sieht die Halle aus so ganz ohne Menschen. Auf dem Sessel dort liegt ein Hut, ein Touristenhut, ganz fesch. Hübscher Gemsbart. Dort im Fauteuil sitzt ein alter Herr. Hat wahrscheinlich keinen Appetit mehr. Liest Zeitung. Dem geht’s gut. Er hat keine Sorgen. Er liest ruhig Zeitung, und ich muß mir den Kopf zerbrechen, wie ich dem Papa dreißigtausend Gulden verschaffen soll. Aber nein. Ich weiß ja wie. Es ist ja so furchtbar einfach. Was will ich denn? Was will ich denn? Was tu’ ich denn da in der Halle? Gleich werden sie alle kommen vom Diner. Was soll ich denn tun? Herr von Dorsday sitzt gewiß auf Nadeln. Wo bleibt sie, denkt er sich. Hat sie sich am Ende umgebracht? Oder engagiert sie jemanden, daß er mich umbringt? Oder hetzt sie ihren Vetter Paul auf mich? Haben Sie keine Angst, Herr von Dorsday, ich bin keine so gefährliche Person. Ein kleines Luder bin ich, weiter nichts. Für die Angst, die Sie ausgestanden haben, sollen Sie auch Ihren Lohn haben. Zwölf Uhr, Zimmer Nummer fünfundsechzig. Im Freien wäre es mir doch zu kühl. Und von Ihnen aus, Herr von Dorsday, begebe ich mich direkt zu meinem Vetter Paul. Sie haben doch nichts dagegen, Herr von Dorsday?
del#221„Else! Else!“
del#222Wie? Was? Das ist ja Pauls Stimme. Das Diner schon aus? ‐ „Else!“ ‐ „Ach, Paul, was gibt’s denn, Paul?“ Ich stell’ mich ganz unschuldig. ‐ „Ja, wo steckst du denn, Else?“ ‐ „Wo soll ich denn stecken? Ich bin spazieren gegangen.“ ‐ „Jetzt, während des Diners?“ ‐ „Na, wann denn? Es ist doch die schönste Zeit dazu.“ Ich red’ Blödsinn. ‐ „Die Mama hat sich schon alles Mögliche eingebildet. Ich war an deiner Zimmertür, hab’ geklopft.“ ‐ „Hab’ nichts gehört.“ ‐ „Aber im Ernst, Else, wie kannst du uns in eine solche Unruhe versetzen! Du hättest Mama doch wenigstens verständigen können, daß du nicht zum Diner kommst.“ ‐ „Du hast ja recht, Paul, aber wenn du eine Ahnung hättest, was ich für Kopfschmerzen gehabt habe.“ Ganz schmelzend red’ ich. O, ich Luder. ‐ „Ist dir jetzt wenigstens besser?“ ‐ „Könnt’ ich eigentlich nicht sagen.“ ‐ „Ich will vor allem der Mama“ ‐ „Halt Paul, noch nicht. Entschuldige mich bei der Tante, ich will nur für ein paar Minuten auf mein Zimmer, mich ein bißl herrichten. Dann komme ich gleich herunter und werde mir eine Kleinigkeit nachservieren lassen.“ ‐ „Du bist so blaß, Else? ‐ Soll ich dir die Mama hinaufschicken?“ ‐ „Aber mach’ doch keine solchen Geschichten mit mir, Paul, und schau’ mich nicht so an. Hast du noch nie ein weibliches Wesen mit Kopfschmerzen gesehen? Ich komme bestimmt noch herunter. In zehn Minuten spätestens. Grüß dich Gott, Paul.“ ‐ „Also auf Wiedersehen, Else.“ ‐ Gott sei Dank, daß er geht. Dummer Bub’, aber lieb. Was will dennd’n der Portier von mir? del#223Wie, eEin Telegramm? „Dankeadd#236 schön.del#224 Wann ist denn die Depesche gekommen, Herr Portier?“ ‐ „Vor einer Viertelstunde, Fräulein.“del#225 ‐ Warum schaut er mich denn so an, so — bedauernd. Um Himmels willen, was wird denn’n da drin stehn? Ich mach’ siesadd#237 lieber erst oben auf, sonst fall’ ich vielleicht in Ohnmacht. Am Ende hat sich der Papaadd#238 umgebracht — shift#109Feature: tempo; New State: aadd#239Na, Wwenn der Papa tot ist, dann ist ja alles in Ordnung, dann subst#219mußbrauch’ ichadd#240 ja nichtdel#226 mehr mit Herrn von Dorsday auf die Wiese gehn... shift#110Feature: tempo; New State: normalshift#111Feature: voice; New State: sobshift#112Feature: voice; New State: emphasisO, ich elende Person.shift#113Feature: voice; New State: normal del#227Lieber Gott, mach’, daß in der Depesche nichts Böses steht. Lieber Gott, mach’, daß der Papa lebt. Verhaftet meinetwegen, nur nicht tot. Wennadd#241 nur nichts Bösesadd#242 da drin steht,add#243 lieber Gott, del#228dann mod#15will ichich will add#244ja ein Opfer bringen. Ich werde Bonne, ich nehme eine Stellung in einem Bureau an. Sei nicht tot, Papaadd#245, ich bitte dich, sei nicht tot. Ich bin ja bereit. Ich tuetu’ ja alles, was du willst...
Gott sei Dank, daß ichadd#246 da oben bin. Licht gemacht, Licht gemacht. Kühl ist es geworden. del#229Das Fenster war zu lange offen. Courage, Courage. del#230Ha, vVielleicht stehtadd#247 da drin, daß die Sache geordnet ist. Vielleicht subst#222hat der Onkel Bernhard das Geld hergegeben und sie telegraphieren mirsteht da drin: Nicht mit Dorsday reden.add#248 Sache geordnet. Ich werdewerd’del#231 es ja gleich sehenadd#249, was da drin steht. del#232Aber wenn ich auf den Plafond schaue, kann ich natürlich nicht lesen, was in der Depesche steht. Trala, trala, shift#114Feature: voice; New State: normalCourage.add#250 Aufmachen, lesen. del#233Es muß ja sein. ‚Wiederhole flehentliche Bitte mit Dorsday reden. Summe nicht dreißig, shift#115Feature: tempo; New State: lsondern fünfzig. Sonst alles vergeblich. Adresse bleibt Fiala.‘ ‐ shift#116Feature: loud; New State: pSondern fünfzig. Sonst alles vergeblich. del#234Trala, trala. Fünfzig. Adresse bleibt Fiala.shift#117Feature: tempo; New State: normal Aber gewiß,add#251 gewiß, del#235ob fünfzig oder dreißig, darauf kommt es’s jaadd#252 gar nichtadd#253 mehr an.shift#118Feature: loud; New State: normal del#236Auch dem Herrn von Dorsday add#254wahrscheinlich auch nicht. Das Veronal liegt unter der Wäsche, für alle Fälle. del#237Warum habe ich nicht gleich gesagt: fünfzig. Ich habe doch daran gedacht! Sonst alles vergeblich. Also hinunter, geschwind, nicht da auf dem Bett sitzen bleiben.add#255O, Eein kleiner Irrtum, Herr von Dorsday, verzeihen Sieadd#256 bitte. Nicht dreißig, sondern fünfzig, sonst alles vergeblich. Adresse bleibt Fiala. ‐ shift#119Feature: pitch; New State: low‚del#238Sie halten mich wohl für einen Narren, Fräulein Else?‘ Keineswegs, Herr Vicomte, wie sollte ich.add#257Fünfzig, Fräulein Else? Ja. ‚Für fünfzig müßte ich jedesubst#226snfalls entsprechend mehr forderndel#239, Fräulein.‘ Sonst alles vergeblich, Adresse bleibt Fiala.shift#120Feature: pitch; New State: normal‘add#259 Aber bitte, Wwie Sie wünschen, Herr von Dorsday. Bitte,add#260 bitte befehlen Sie nur. Vor allem aber, add#261bitte schreiben Sie subst#228die Depesche an Ihr Bankhausein Telegramm an ihre Bank, del#240natürlich, sonst habehab’ ich jaadd#262 gar keine subst#230SicherheitSicherheiten. ‐
subst#231JaAlso, so mach’ ich subst#232esdas. Ich kommekomm’ zu ihm ins Zimmer und erst, wenn er vor meinen Augen subst#234die Depeschedas Telegramm geschriebenadd#263 hat — ziehezieh’ ich mich aus. Und subst#236die Depeschedas Telegramm behaltebehalt’ ich in der Hand. subst#238HaGott, wie unappetitlich. Und wo soll ich denn meine Kleider hinlegen? add#264Das geht doch gar nicht! Nein, nein, ich ziehezieh’ mich del#241schon hier ausadd#265, natürlich, und add#266dann nehmenehm’add#267 ich den großen schwarzen Mantel um, der subst#241mich ganz einhüllthüllt mich ganz ein. del#242So ist es am bequemsten. Für beide Teile. Adresse bleibt Fiala. Mir klappern die Zähne. del#243Das Fenster ist noch offen. Zugemacht. Im Freien? Den Tod hätte ich davon haben können. Schuft! Fünfzigtausend. Er kann nicht Nein sagen. Zimmer fünfundsechzig. Aber vorher sag’ ich Paul, er soll in seinem Zimmer auf mich warten. Von Dorsday geh’ ich direkt zu Paul und erzähle ihm alles. Und dann soll Paul ihn ohrfeigen. Ja, noch heute Nacht. Ein reichhaltiges Programm. Und dann kommt das Veronal. Nein, wozu denn? Warum denn sterben? Keine Spur. Lustig, lustig, jetzt fängt ja das Leben erst an. Ihr sollt Euere Freude haben. Ihr sollt stolz werden auf Euer Töchterlein. Ein Luder will ich werden, wie es die Welt noch nicht gesehen hat. Adresse bleibt Fiala. Du sollst deine fünfzigtausend Gulden haben, Papa. Aber die nächsten, die ich mir verdiene, um die kaufe ich mir neue Nachthemden mit Spitzen besetzt, ganz durchsichtig und köstliche Seidenstrümpfe. Man lebt nur einmal. Wozu schaut man denn so aus wie ich. Licht gemacht, ‐ die Lampe über dem Spiegel schalt’ ich ein. Wie schön meine blondroten Haare sind, und meine Schultern; meine Augen sind auch nicht übel. Hu, wie groß sie sind. Es wär’ schad’ um mich. Zum Veronal ist immer noch Zeit. ‐ Aber ich muß ja hinunter. Tief hinunter. Herr Dorsday wartet, und er weiß noch nicht einmal, daß es indes fünfzigtausend geworden sind. Ja, ich bin im Preis gestiegen, Herr von Dorsday. Ich muß ihm das Telegramm zeigen, sonst glaubt er mir am Ende nicht und denkt, ich will ein Geschäft bei der Sache machen. Ich werde die Depesche auf sein Zimmer schicken und etwas dazu schreiben. Zu meinem lebhaften Bedauern sind es nun fünfzigtausend geworden, Herr von Dorsday, das kann Ihnen ja ganz egal sein. Und ich bin überzeugt, Ihre Gegenforderung war gar nicht ernst gemeint. Denn Sie sind ein Vicomte und ein Gentleman. Morgen früh werden Sie die fünfzigtausend, an denen das Leben meines Vaters hängt, ohne weiters an Fiala senden. Ich rechne darauf. ‐ ‚Selbstverständlich, mein Fräulein, ich sende für alle Fälle gleich hunderttausend, ohne jede Gegenleistung und verpflichte mich überdies, von heute an für den Lebensunterhalt Ihrer ganzen Familie zu sorgen, die Börsenschulden Ihres Herrn Papas zu zahlen und sämtliche veruntreute Mündelgelder zu ersetzen.‘ Adresse bleibt Fiala. Hahaha! Ja, genau so ist der Vicomte von Eperies. Das ist ja alles Unsinn. Was bleibt mir denn übrig? Es muß ja sein, ich muß es ja tun, alles, alles muß ich tun, was Herr von Dorsday verlangt, damit der Papa morgen das Geld hat, — damit er nicht eingesperrt wird, damit er sich nicht umbringt. Und ich werde es auch tun. Ja, ich werde es tun, obzwar doch alles für die Katz’ ist. In einem halben Jahr sind wir wieder gerade so weit wie heute! In vier Wochen! ‐ Aber dann geht es mich nichts mehr an. Das eine Opfer bringe ich — und dann keines mehr. Nie, nie, niemals wieder. Ja, das sage ich dem Papa, sobald ich nach Wien komme. Und dann fort aus dem Haus, wo immer hin. Ich werde mich mit Fred beraten. Er ist der einzige, der mich wirklich gern hat. Aber so weit bin ich ja noch nicht. Ich bin nicht in Wien, ich bin noch in Martino di Castrozza. Noch nichts ist geschehen. Also wie, wie, was? Da ist das Telegramm. Was tue ich denn mit dem Telegramm? Ich habe es ja schon gewußt. Ich muß es ihm auf sein Zimmer schicken. Aber was sonst? Ich muß ihm etwas dazu schreiben. Nun ja, was soll ich ihm schreiben? Erwarten Sie mich um zwölf. Nein, nein, nein! Den Triumph soll er nicht haben. Ich will nicht, will nicht, will nicht. shift#121Feature: loud; New State: fGott sei Dank, daß ich die Pulver subst#242dahier habehab’. Das ist del#244dieadd#268jetzt meine einzige Rettung.shift#122Feature: loud; New State: normal Wo sind sie dennadd#269, wo sind denn meine Pulver? Wo ist denn mein Veronal? mod#16Um Gottes willen, man wird subst#244siees mir doch nicht gestohlen haben.Man wird subst#245siees mir doch nicht gestohlen haben. Um Gottes willen. Aber nein, da sind sie jaadd#270, shift#123Feature: voice; New State: laughhahashift#124Feature: voice; New State: normal. del#245Da in der Schachtel. Sind sie del#246noch alle da? Ja,add#271 ja, da sind sieadd#272 alle. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs.add#273 Wieviel braucht man eigentlich für sowas? Sechs glaub’ ich. Aber zehn werden schon sicherer sein. Ich glaub’, es sind auch zehn. Wieviel sind es? Ja, ja, ja, ich glaub’ ich hab’ genug, zehn - eins, zwei, drei, ja, ja, ja, ja, ich hab’ genug, genug.del#247 Ich wWill sie ja nur ansehen, subst#247diemeine lieben Pulver. Es verpflichtet ja zu add#274gar nichts.add#275 Hm. Auch daß ich sie ins Glas schütte, verpflichtetdel#248 ja zu add#276gar nichts. Eins, zwei, — aber ich bringebring’ mich ja sicher nicht um. Fällt miradd#277 ja gar nicht ein. Drei, vier, fünf — davon stirbt man del#249auch noch langelang’ nicht. mod#17Es wäre schrecklichsSchrecklich wärewär’ subst#252Esdas, wenn ich das Veronal nicht mit hätte. Da müßtemüßt’ ich mich zum Fenster hinunterstürzen und dazu hätt’ ich doch subst#254nichtnie den Mut. Aber das Veronal,add#278 — is’ ja shift#125Feature: voice; New State: laughherrlich,shift#126Feature: voice; New State: normal — man schläft langsam ein, add#279man wacht nicht mehr auf, keine Qual, keinadd#280e Schmerzadd#281en. Man legt sich ins Bett; in einem ZugeZug’ trinkt man subst#256esdas aus,add#282 man träumt, und alles ist vorbei. Vorgestern habe ich auch ein Pulver genommen subst#257und— neulich sogar zwei. del#250Pst, niemandem sagen. Heut’ werden es’s halt ein bißl mehr sein. del#251Es subst#259istiIs’ jaadd#283 auch nur für alle FälleFäll’. subst#262WennNur falls es mich gar del#252gar zu sehr grausen sollte. del#253Aber warum soll es mich denn grausen? Wenn er mich anrührt, so spucke ich ihm ins Gesicht. Ganz einfach.
del#254Aber wie soll ich ihm denn den Brief zukommen lassen? Ich kann doch nicht dem Herrn von Dorsday durch das Stubenmädchen einen Brief schicken. Das Beste, ich gehe hinunter und rede mit ihm und zeige ihm das Telegramm. Hinunter muß ich ja jedenfalls. Ich kann doch nicht da heroben im Zimmer bleiben. Ich hielte es ja gar nicht aus, drei Stunden lang — bis der Moment kommt. Auch wegen der Tante muß ich hinunter. Ha, was geht mich denn die Tante an. Was gehen mich die Leute an? Sehen Sie, meine Herrschaften, da steht das Glas mit dem Veronal. So, jetzt nehme ich es in die Hand. So, jetzt führe ich es an die Lippen. Ja, jeden Moment kann ich drüben sein, wo es keine Tanten gibt und keinen Dorsday und keinen Vater, der Mündelgelder defraudiert...
del#255Aber ich werde mich nicht umbringen. Das habe ich nicht notwendig. Ich werde auch nicht zu Herrn von Dorsday ins Zimmer gehen. Fällt mir gar nicht ein. Ich werde mich doch nicht um fünfzigtausend Gulden nackt hinstellen vor einen alten Lebemann, um einen Lumpen vor dem Kriminal zu retten. Nein, nein, entweder oder. shift#127Feature: loud; New State: fWie kommtdel#256 denn der Herr von Dorsday dazu? GeradeGrad’ der? Wenn einer mich sieht, del#257dann sollen mich subst#264auch anderealle subst#265sehens-shift#128Feature: loud; New State: normal. subst#266JaHalt! ‐add#284 Is’ ein Hherrlicher Gedanke! ‐ Alle sollen sie mich sehen.add#285 shift#129Feature: loud; New State: fAlle! Die ganze Welt soll mich sehen. Und dann kommt das Veronal. Neindel#258, nicht das Veronal, — wozu denn?!add#286 überhaupt nicht, dann kommt die Villa mit den Marmorstufen und die schönen Jünglinge und die Freiheit und die weite Welt!add#287 Jawohl, jawohl! del#259Guten Abend, Fräulein Else, sSo gefallen Sie miradd#288, Fräulein Else.shift#130Feature: loud; New State: normal del#260Haha. Da unten werden sie meinen, ich bin verrückt geworden. Aber ich war noch nie so vernünftig. Zum erstenmal in meinem Leben bin ich wirklich vernünftig. Alle, alle sollen sie mich sehen! ‐ Dann gibt es kein Zurück, kein nach Hause zu Papa und Mama, zu den Onkeln und Tanten. Dann bin ich nicht mehr das Fräulein Else, das man an irgendeinen Direktor Wilomitzer verkuppeln möchte; alle hab’ ich sie so zum Narren; — den Schuften Dorsday vor allem — und komme zum zweitenmal auf die Welt... sonst alles vergeblich — Adresse bleibt Fiala. Haha!
mod#18Keine Zeit mehr verlieren, add#289nur nicht wieder feig werden.add#289Nur nicht wieder feigfeige werden.add#289 Nur Kkeine Zeit mehr verlieren. Herunter subst#271dasmit dem Kleid.add#289 shift#131Feature: tempo; New State: lHerunter mit dem Kleid. Herunter mit der Wäsche, alles herunter, die Strümpfe, herunter. So. Schön.shift#132Feature: tempo; New State: normal Schön bin ich, das muss ich selber sagen. del#261Wer wird der Erste sein? Wirst du es sein, Vetter Paul? Dein Glück, daß der Römerkopf nicht mehr da ist. Wirst du diese schönen Brüste küssen heute Nacht? Ah, wie bin ich schön. Bertha hat ein schwarzes Seidenhemd. Raffiniert. Ich werde noch viel raffinierter sein. Herrliches Leben. Fort mit den Strümpfen, das wäre unanständig. Nackt, ganz nackt. Wie wird mich Cissy beneiden! Und andere auch. Aber sie trauen sich nicht. Sie möchten ja alle so gern. Nehmt Euch ein Beispiel. Ich, die Jungfrau, ich traue mich. Ich werde mich ja zu Tod lachen über Dorsday. Da bin ich, Herr von Dorsday. Rasch auf die Post. Fünfzigtausend. So viel ist es doch wert?
del#262Schön, schön bin ich! shift#133Feature: loud; New State: fSchau’ mich an, Nacht! Berge schaut mich anmod#19! Himmel schau’ mich an, wie schön ich bin, wie schön ich bin! Himmel schau’ mich an. Aber mod#20ihr seid ja blind. Was habe ich von euch.was habehab’ ichadd#290 denn von euch. Ihr seid ja blind. Die da untenadd#290, die haben Augen.shift#134Feature: loud; New State: normaldel#263 Soll ich mir die Haare lösen? Nein. Da säh ich aus wie eine Verrückte. Aber Ihr sollt mich nicht für verrückt halten. Nur für schamlos sollt Ihr mich halten. Für eine Kanaille. Wo ist das Telegramm? Um Gottes willen, wo habe ich denn das Telegramm? Da liegt es ja, friedlich neben dem Veronal. ‚Wiederhole flehentlich ‐ fünfzigtausend ‐ sonst alles vergeblich. Adresse bleibt Fiala.‘ Ja, das ist das Telegramm. Das ist ein Stück Papier und da stehen Worte darauf. Aufgegeben in Wien vier Uhr dreißig. Nein, ich träume nicht, es ist alles wahr. Und zu Hause warten sie auf die fünfzigtausend Gulden. Und Herr von Dorsday wartet auch. Er soll nur warten. Wir haben ja Zeit. Ah, wie add#291Hm, hübsch ist subst#273esdas, so nackt im Zimmer auf und abdel#264zushift#135Feature: voice; New State: laughspazierenshift#136Feature: voice; New State: normal. Bin ich wirklich so schön wie im Spiegel? del#265Ach, kKommen Sie doch näher, schönes Fräulein.add#292 Näher, näher. del#266Ich will Ihre blutroten Lippen küssen. Ich will Ihre Brüste an meine Brüste pressen. Wie sSchade, daß das Glas zwischen uns ist, das kalte Glas. Wie gut würden wir uns miteinander vertragenadd#293, Sie und ich.del#267 Nicht wahr? Wir subst#276brauchtenbräuchten gar niemanden andern. Es gibt vielleicht gar keine andern Menschen. Es gibt Telegramme und Hotels und Berge und Bahnhöfe und Wälder, aber Menschen gibt es’sadd#294 gar nicht. Die subst#278träumen wir nur.bilden wir uns ein. Nur subst#279derden Doktor Fialadel#268 existiertadd#295, den gibt es wirklich del#269mit deradd#296und die Adressedel#270. Es bleibt immer dieselbeadd#297, ich weiß. del#271O, ich bin keineswegs verrückt. Ich bin nur ein wenig erregt. Das ist doch ganz selbstverständlich, bevor man zum zweitenmal auf die Welt kommt. Denn die frühere Else ist schon gestorben. Ja, ganz bestimmt bin ich tot. Da braucht man kein Veronal dazu. Soll ich es nicht weggießen? Das Stubenmädel könnte es aus Versehen trinken. Ich werde einen Zettel hinlegen und darauf schreiben: Gift; nein, lieber: Medizin, — damit dem Stubenmädel nichts geschieht. So edel bin ich. So. Medizin, zweimal unterstrichen und drei Ausrufungszeichen. Jetzt kann nichts passieren. Und wenn ich dann heraufkomme und keine Lust habe mich umzubringen und nur schlafen will, dann trinke ich eben nicht das ganze Glas aus, sondern nur ein Viertel davon oder noch weniger. Ganz einfach. Alles habe ich in meiner Hand. Am einfachsten wäre, ich liefe hinunter — so wie ich bin über Gang und Stiegen. Aber nein, da könnte ich aufgehalten werden, ehe ich unten bin — und ich muß doch die Sicherheit haben, daß der Herr von Dorsday dabei ist! Sonst schickt er natürlich das Geld nicht ab, der Schmutzian. ‐add#298 Also, was kommt jetzt? del#272Aber ich muß ihm jaadd#299Jetzt muss ich ihm noch schreibenadd#300, meinem Gourmet. Ich muss doch die Sicherheit haben, dass er das Geld abschickt. Der Schuft. Also los. Was soll ich schreiben?del#273. Das ist doch das Wichtigste. O, kalt ist die Sessellehne, aber angenehm. Wenn ich meine Villa am italienischen See haben werde, dann werde ich in meinem Park immer nackt herumspazieren... Die Füllfeder vermache ich Fred, wenn ich einmal sterbe. Aber vorläufig habe ich etwas Gescheiteres zu tun als zu sterben. ‚Hochverehrter Herr Vicomte‘ ‐ also vernünftig Else, keine Aufschrift, weder hochverehrt, noch hochverachtet. ‚Ihre Bedingung, Herr von Dorsday, ist erfüllt‘ ‐ ‐ ‐ shift#137Feature: tempo; New State: l‚In dem Augenblick, da Sie diese Zeilen lesen, Herr von Dorsday, ist ihre Bedingung erfüllt, wenn auch nicht ganz in der von Ihnen vorgesehenen Weise.del#274‘ ‐ ‚Nein, wie gut das Mädel schreibt‘, möcht’ der Papa sagen. ‐ ‚ del#275Und somod#21 rechne ichiIch rechne darauf, daß Sie Ihrerseits Ihr Wort halten und die fünfzigtausend Gulden telegraphisch an die bekannte Adresse unverzüglich anweisen lassendel#276 werden, Else.‘shift#138Feature: tempo; New State: normal del#277Nein, nicht Else. Gar keine Unterschrift. So. Mein schönes gelbes Briefpapier! Hab’ ich zu Weihnachten bekommen. Schad’ drum. So — del#278und jetzt Telegramm und Brief ins Kuvert. ‐ ‚Herrn von Dorsday‘, Zimmer Nummer fünfundsechzig. Wozu die Nummer? Ich lege ihm den Briefadd#302 leg’ ich einfach vor die Tür im Vorbeigehen. del#279Aber ich muß nicht. Ich muß überhaupt gar nichts. Wenn es mir beliebt, kann ich mich jetzt auch ins Bett legen und schlafen und mich um nichts mehr kümmern. Nicht um den Herrn von Dorsday und nicht um den Papa. Ein gestreifter Sträflingsanzug ist auch ganz elegant. Und erschossen haben sich schon viele. Und sterben müssen wir alle.
del#280Aber du hast ja das alles vorläufig nicht nötig, Papa. Du hast ja deine herrlich gewachsene Tochter, und Adresse bleibt Fiala. Ich werde eine Sammlung einleiten. Mit dem Teller werde ich herumgehen. Warum sollte nur Herr von Dorsday zahlen? Das wäre ein Unrecht. Jeder nach seinen Verhältnissen. Wieviel wird Paul auf den Teller legen? Und wieviel der Herr mit dem goldenen Zwicker? Aber bildet Euch nur ja nicht ein, daß das Vergnügen lange dauern wird. Gleich hülle ich mich wieder ein, laufe die Treppen hinauf in mein Zimmer, sperre mich ein und, wenn es mir beliebt, trinke ich das ganze Glas auf einen Zug. Aber es wird mir nicht belieben. Es wäre nur eine Feigheit. Sie verdienen gar nicht so viel Respekt, die Schufte. Schämen vor Euch? Ich mich schämen vor irgend wem? Das habe ich wirklich nicht nötig. Laß dir noch einmal in die Augen sehen, schöne Else. Was du für Riesenaugen hast, wenn man näher kommt. Ich wollte, es küßte mich einer auf meine Augen, auf meinen blutroten Mund. Kaum über die Knöchel reicht mein Mantel. Man wird sehen, daß meine Füße nackt sind. Was tut’s, man wird noch mehr sehen! Aber ich bin nicht verpflichtet. Ich kann gleich wieder umkehren, noch bevor ich unten bin. Im ersten Stock kann ich umkehren. Ich muß überhaupt nicht hinuntergehen. Aber ich will ja. Ich freue mich drauf. Hab’ ich mir nicht mein ganzes Leben lang so was gewünscht?
del#281Worauf warte ich denn noch? Ich bin ja bereit.shift#139Feature: tempo; New State: aadd#303Also los, los, los. Die Vorstellung kann beginnen.add#304shift#140Feature: tempo; New State: normal Wo ist denn mein Mantel? Is’ ja großartig. del#282Den Brief nicht vergessen. Eine aristokratische Schrift behauptet Fred. Auf Wiedersehen, Else. Du bist schön mit dem Mantel. Florentinerinnen haben sich so malen lassen. In den Galerien hängen ihre Bilder und es ist eine Ehre für sie. ‐ Man subst#281mußbraucht gar nichts bemerken, wenn ich den Mantel subst#282uman habehab’. del#283Nur die Füße, nur die Füße. Ich nehme die schwarzen Lackschuhe, dann denkt man, es sind fleischfarbene Strümpfe. So werdewerd’ ichadd#305 jetzt durch die Halle gehen, und kein Mensch wird ahnen, daß unter dem Mantel nichts ist, als ich,add#306 nur ichadd#307, ich, ich, ich. del#284selber. Und dann kann ich immer noch herauf... ‐ Wer spielt denn da unten so schön Klavier? Chopin? ‐ Herr von Dorsday wird etwas nervös sein. Vielleicht hat er Angst vor Paul. Nur Geduld, Geduld, wird sich alles finden. Ich weiß noch gar nichts, Herr von Dorsday, ich bin selber schrecklich gespannt. Licht ausschalten! del#285Ist alles in Ordnung in meinem Zimmer? Leb’ wohl, Veronal, auf Wiedersehen. Leb’ wohl, mein heißgeliebtes Spiegelbild. Wie du im Dunkel leuchtest. del#286Ich bin schon ganz gewohnt, unter dem Mantel nackt zu sein. Ganz angenehm. Wer weiß, ob nicht manche so in der Halle sitzen und keiner weiß es? Ob nicht manche Dame so ins Theater geht und so in ihrer Loge sitzt — zum Spaß oder aus anderen Gründen.
del#287Soll ich zusperren? Wozu? Hier wird ja nichts gestohlen. Und wenn auch ‐ ich brauche ja nichts mehr. Schluß... Wo istis’ subst#286dennjetztadd#308 Zimmer subst#287NummerNumero fünfundsechzig? Niemanddel#288 ist auf dem Gang. Alles noch unten beim DinerDinner.add#309 Gott sei Dank! Einundsechzig... zweiundsechzig...del#289 das sind ja riesige Bergschuhe, die da vor der Türe stehen. Da hängt eine Hose am Haken. Wie unanständig. Vvierundsechzig, fünfundsechzig. So. del#290Da wohnt er, der Vicomte... Da unten subst#290lehn’leg’ ich den Brief hin, an die Tür. Da muß er ihn gleich sehen. del#291Es wird ihn doch keiner stehlen? So, da liegt er... Macht nichts... Ich kann noch immer tun, was ich will. Hab’ ich ihn halt zum Narrn gehalten... Wenn ich ihm mod#22nur jetztjetzt nur nicht auf der Treppe begegne. add#310Das wäre schrecklich! Da wäre alles ruiniert! Lieber Gott, mach’, daß ich ihm nicht auf der Treppe begegne. Das wäre schrecklich! Da wäre alles ruiniert! Mir scheint, ich hab’ Herzklopfen. Lieber Gott, mach’, daß ich ihm nicht auf der Treppe begegne. del#292Da kommt ja... nein, das ist er nicht!... Der ist viel hübscher als der Herr von Dorsday, sehr elegant, mit dem kleinen schwarzen Schnurrbart. Wann ist denn der angekommen? Ich könnte eine kleine Probe veranstalten — ein ganz klein wenig den Mantel lüften. Ich habe große Lust dazu. Schauen Sie mich nur an, mein Herr. Sie ahnen nicht, an wem Sie da vorübergehen. Schade, daß Sie gerade jetzt sich heraufbemühen. Warum bleiben Sie nicht in der Halle? Sie versäumen etwas. Große Vorstellung. Warum halten Sie mich nicht auf? Mein Schicksal liegt in Ihrer Hand. Wenn Sie mich grüßen, so kehre ich wieder um. So grüßen Sie mich doch. Ich sehe Sie doch so liebenswürdig an... Er grüßt nicht. Vorbei ist er. Er wendet sich um, ich spüre es. Rufen Sie, grüßen Sie! Retten Sie mich! Vielleicht sind Sie an meinem Tode schuld, mein Herr! Aber Sie werden es nie erfahren. Adresse bleibt Fiala...
Wo bin ichdel#293?add#311 denn da? Bin ich denn Sschon in der Halle? Wie bin ich del#294daheradd#312denn da so schnell herunter gekommen? del#295So wenig Leute und so viele Unbekannte. Oder sehe ich so schlecht? Wo ist Dorsday? Er ist nicht da. Ist es ein Wink des Schicksals? Ich will zurück. Ich will einen andern Brief an Dorsday schreiben. Ich erwarte Sie in meinem Zimmer um Mitternacht. Bringen Sie die Depesche an Ihre Bank mit. Nein. Er könnte es für eine Falle halten. Könnte auch eine sein. Ich könnte Paul bei mir versteckt haben, und er könnte ihn mit dem Revolver zwingen, uns die Depesche auszuliefern. Erpressung. Ein Verbrecherpaar. Wo ist shift#141Feature: loud; New State: fDorsday? Dorsday, wo subst#292bist dusind Sie denn?add#313 Dorsday?shift#142Feature: loud; New State: normal Hat er sich del#296vielleichtadd#314am Ende schon umgebracht aus Reue über meinen Tod?add#315 Das Herz klopft mir so. del#297Im Spielzimmer wird er sein. Gewiß. An einem Kartentisch wird er sitzen. Dann will ich ihm von der Tür aus mit den Augen ein Zeichen geben. Er wird sofort aufstehen. ‚Hier bin ich, mein Fräulein.‘ Seine Stimme wird klingen. ‚Wollen wir ein wenig promenieren, Herr Dorsday?‘ ‚Wie es beliebt, Fräulein Else.‘ Wir gehen über den Marienweg zum Walde hin. Wir sind allein. Ich schlage den Mantel auseinander. Die fünfzigtausend sind fällig. Die Luft ist kalt, ich bekomme eine Lungenentzündung und sterbe... Warum sehen mich die zwei Damen an? Merken sie was? Warum bin ich denn da? Bin ich verrückt? Ich werde zurückgehen in mein Zimmer, mich geschwind ankleiden, das blaue, drüber den Mantel wie jetzt, aber offen, da kann niemand glauben, daß ich vorher nichts angehabt habe... Ich kann nicht zurück. Ich will auch nicht zurück. Wo istadd#316 denn Paul? Wo istadd#317 denn Tante Emma? Wo istadd#318 denn Cissy? Wo sind sie denn alle? del#298Keiner wird es merken... Man kann es ja gar nicht merken. Wer spielt so schön? Chopin? Nein, Schumann.
Ich irre in der Halle umher wie eine Fledermaus.add#319 Wer spielt denn da so schön Klavier? Chopin ist das. Nein, nein — Schumann, Schumann. Fünfzigtausendadd#320, fünfzigtausend!add#321 Die Zeit vergeht. Die Zeit vergeht. Ich muß diesen verfluchten Herrn von Dorsday finden. Nein, ich muß in mein Zimmer zurück... Ich werdeadd#322 das Veronaladd#323 besser vorher trinken.add#324 Nein, nein. Besser nachher, nachher. Nach getaner Arbeit ist gut ruhen, die Arbeit ist noch nicht getan. Erst muss ich Herrn von Dorsday finden, also weitersuchen, weitersuchen. Fünfzigtausend, fünfzigtausend. shift#143Feature: tempo; New State: aWeitersuchen, weitersuchen. del#299Nur einen kleinen Schluck, dann werde ich gut schlafen... Nach getaner Arbeit ist gut ruhen... Aber die Arbeit ist noch nicht getan... Wenn der Kellner den schwarzen Kaffee dem alten Herrn dort serviert, so geht alles gut aus. Und wenn er ihn dem jungen Ehepaar in der Ecke bringt, so ist alles verloren. Wieso? Was heißt das? Zu dem alten Herrn bringt er den Kaffee. Triumph! Alles geht gut aus. Ha, Cissy und Paul! Da draußen vor dem Hotel gehen sie auf und ab. Sie reden ganz vergnügt miteinander. Er regt sich nicht sonderlich auf wegen meiner Kopfschmerzen. Schwindler!... Cissy hat keine so schönen Brüste wie ich. Freilich, sie hat ja ein Kind... Was reden die Zwei? Wenn man es hören könnte! Was geht es mich an, was sie reden? Aber ich könnte auch vors Hotel gehen, ihnen guten Abend wünschen und dann weiter, weiterflattern über die Wiese, in den Wald, hinaufsteigen, klettern, immer höher, bis auf den Cimone hinauf, mich hinlegen, einschlafen, erfrieren. Geheimnisvoller Selbstmord einer jungen Dame der Wiener Gesellschaft. Nur mit einem schwarzen Abendmantel bekleidet, wurde das schöne Mädchen an einer unzugänglichen Stelle des Cimone della Pala tot aufgefunden... Aber vielleicht findet man mich nicht... Oder erst im nächsten Jahr. Oder noch später. Verwest. Als Skelett. Doch besser, hier in der geheizten Halle sein und nicht erfrieren. Nun, Herr von Dorsday, wo stecken Sie denn eigentlich? Bin ich verpflichtet zu warten? Sie haben mich zu suchen, nicht ich Sie. Ich will noch im Spielsaal nachschauen. Wenn er dort nicht ist, hat er sein Recht verwirkt. Und ich schreibe ihm: Sie waren nicht zu finden, Herr von Dorsday, Sie haben freiwillig verzichtet; das entbindet Sie nicht von der Verpflichtung, das Geld sofort abzuschicken. Das Geld. Was für ein Geld denn? Was kümmert mich das? Es ist mir doch ganz gleichgültig, ob er das Geld abschickt oder nicht. Ich habe nicht das geringste Mitleid mehr mit Papa. Mit keinem Menschen habe ich Mitleid. Auch mit mir selber nicht. Mein Herz ist tot. Ich glaube, es schlägt gar nicht mehr. Vielleicht habe ich das Veronal schon getrunken... Warum schaut michadd#325 denn die holländische Familie so an?shift#144Feature: tempo; New State: normal Man kann doch unmöglich add#326etwas merken. del#300Der Portier sieht mich auch so verdächtig an. Ist vielleicht noch eine Depesche gekommen? Achtzigtausend? Hunderttausend? Adresse bleibt Fiala. Wenn eine Depesche da wäre, würde er es mir sagen. Er sieht mich hochachtungsvoll an. Er weiß nicht, daß ich unter dem Mantel nichts an habe. Niemand weiß es. Ich gehe zurück in mein Zimmer. Zurück, zurück, zurück! Wenn ich über die Stufen stolperte, das wäre eine nette Geschichte. Vor drei Jahren auf dem Wörthersee ist eine Dame ganz nackt hinausgeschwommen. Aber noch am selben Nachmittag ist sie abgereist. Die Mama hat gesagt, es ist eine Operettensängerin aus Berlin. Schumann? Ja, Karneval. Die oder der spielt ganz schön. Das Kartenzimmer ist aber rechts. Letzte Möglichkeit, Herr von Dorsday. Wenn er dort ist, winke ich ihn mit den Augen zu mir her und sage ihm, um Mitternacht werde ich bei Ihnen sein, Sie Schuft. ‐ Nein, Schuft sage ich ihm nicht. Aber nachher sage ich es ihm... Irgendwer geht mir nach. Ich wende mich nicht um. Nein, nein. ‐
del#301„Else!“ ‐ Um Gottes willen die Tante. Weiter, weiter! ‐ „Else!“ ‐ Ich muß mich umdrehen, es hilft mir nichts. „O, guten Abend, Tante.“ ‐ „Ja, Else, was ist denn mit dir? Grad’ wollte ich zu dir hinaufschauen. Paul hat mir gesagt ‐ ‐ Ja, wie schaust du denn aus?“ ‐ „Wie schau ich denn aus, Tante? Es geht mir schon ganz gut. Ich habe auch eine Kleinigkeit gegessen.“ Sie merkt was, sie merkt was. ‐ „Else — du hast ja — keine Strümpfe an!“ ‐ „Was sagst du da, Tante? Meiner Seel, ich habe keine Strümpfe an. Nein —!“ ‐ „Ist dir nicht wohl, Else? Deine Augen — du hast Fieber.“ ‐ „Fieber? Ich glaub’ nicht. Ich hab’ nur so furchtbare Kopfschmerzen gehabt, wie nie in meinem Leben noch.“ ‐ „Du mußt sofort zu Bett, Kind, du bist totenblaß.“ ‐ „Das kommt von der Beleuchtung, Tante. Alle Leute sehen hier blaß aus in der Halle.“ Sie schaut so sonderbar an mir herab. Sie kann doch nichts merken? Jetzt nur die Fassung bewahren. Papa ist verloren, wenn ich nicht die Fassung bewahre. Ich muß etwas reden. „Weißt du, Tante, was mir heuer in Wien passiert ist? Da bin ich einmal mit einem gelben und einem schwarzen Schuh auf die Straße gegangen.“ Kein Wort ist wahr. Ich muß weiterreden. Was sag’ ich nur? „Weißt du, Tante, nach Migräneanfällen habe ich manchmal solche Anfälle von Zerstreutheit. Die Mama hat das auch früher gehabt.“ Nicht ein Wort ist wahr. ‐ „Ich werde jedenfalls um den Doktor schicken.“ ‐ „Aber ich bitte dich, Tante, es ist ja gar keiner im Hotel. Man müßt’ einen aus einer anderen Ortschaft holen. Der würde schön lachen, daß man ihn holen läßt, weil ich keine Strümpfe anhabe. Haha.“ Ich sollte nicht so laut lachen. Das Gesicht von der Tante ist angstverzerrt. Die Sache ist ihr unheimlich. Die Augen fallen ihr heraus. ‐ „Sag’, Else, hast du nicht zufällig Paul gesehen?“ ‐ Ah, sie will sich Sukkurs verschaffen. Fassung, alles steht auf dem Spiel. „Ich glaube, er geht auf und ab vor dem Hotel mit Cissy Mohr, wenn ich nicht irre.“ ‐ „Vor dem Hotel? Ich werde sie beide hereinholen. Wir wollen noch alle einen Tee trinken, nicht wahr?“ ‐ „Gern.“ Was für ein dummes Gesicht sie macht. Ich nicke ihr ganz freundlich und harmlos zu. Fort ist sie. Ich werde jetzt in mein Zimmer gehen. Nein, was soll ich denn in meinem Zimmer tun? Es ist höchste Zeit, höchste Zeit. Fünfzigtausend, fünfzigtausend. Warum laufelauf’ ich denn so? del#302Nur lLangsam, langsam... Was will ich denn? Wie heißt add#327denn der Mann?add#328 Wie heißt der Mann? Jetzt hab’ ich den Namen vergessen. Wie heißt denn — O, Dorsday, natürlich. del#303Herr von Dorsday. add#329Ein Kkomischer Nameadd#330, Dorsday... Da ist del#304ja das Spielzimmer. add#331Vielleicht ist er da drin? Ich werd’ hineinschauen. Ist der Herr von Dorsday da? Nein!del#305Grüner Vorhang vor der Tür. Man sieht nichts. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen. Die Whistpartie. Die spielen jeden Abend. Dort spielen zwei Herren Schach. Herr von Dorsday ist nicht da. del#306Viktoria. Gerettet!add#332Gott sei Dank, ich bin gerettet. Also Wwieso denn? del#307Ich mMußadd#333 ja weiter suchen. Ich bin verdammt,add#334 diesen Herrn von Dorsday zu suchen bis an mein Lebensende. Er sucht michadd#335 ja gewiß auch. Wir verfehlen uns immerfort. Vielleicht sucht er mich oben.add#336 Und ich such’ ihn unten. Und Wwir werden uns auf der subst#299Stiege treffenTreppe begegnen. del#308Die Holländer sehen mich wieder an. Ganz hübsch die Tochter. Der alte Herr hat eine Brille, eine Brille, eine Brille... Fünfzigtausend. Es ist ja nicht so viel. Fünfzigtausend, Herr von Dorsday. Schumanndel#309?add#337 ist das, Schumann. Fünfzigtausend. del#310Ja, Karnevaladd#338 von Schumann, natürlich... Hab’ ich auch einmal subst#300studiertgespielt. Schön spielt subst#301siedie. Warum denn subst#302siedie? Vielleicht ist subst#303esdas ein Er? del#311Vielleicht ist es eine Virtuosin? Ich subst#304willwerde einen Blick in den Musiksalon tun.
del#312Da ist ja die Tür. ‐ ‐ shift#145Feature: pitch; New State: highDorsday! Ich fallefall’ um. Dorsday! Dort steht er am Fenster und hört zu. Wie ist das möglich? del#313Ich verzehre mich — iIch werde verrückt — ich binadd#339 schon tot — und er hört einer fremden Dame Klavier spielen zu.shift#146Feature: pitch; New State: normal del#314Dort auf dem Divan sitzen zwei Herren. Der Blonde ist erst heute angekommen. Ich hab’ ihn aus dem Wagen steigen sehen. Die Dame ist gar nicht mehr jung. Sie ist schon ein paar Tage lang hier. Ich habe nicht gewußt, daß sie so schön Klavier spielt. Sie hat es gut. Alle Menschen haben es gut... nur ich bin verdammt... Dorsday! Dorsday! Ist er das wirklich? Er sieht mich nicht. Jetzt schaut er aus wie ein anständiger Mensch. Er hört zu. Fünfzigtausend! Jetzt oder nie. Leise die Tür aufgemacht. del#315Da bin ich, Herr von Dorsday! Er sieht michadd#340 noch nicht. Ich will ihm nur ein Zeichen mit den Augen subst#307gebenmachen,add#341 und dann werdewerd’ ich den Mantel ein wenig lüften, das istadd#342 ganz genug. Ich bin ja del#316ein junges Mädchen.add#343schließlich keine Hure. Ich Bbin ein anständiges junges Mädchen aus guter Familie. del#317Bin ja keine Dirne... Ich will fort. Ich will Veronal nehmen und schlafen. Sie haben sich geirrt, Herr von Dorsday, ich bin keine Dirne. Adieu, adieu!... subst#310HaAha, er schaut auf. Da bin ich, Herr von Dorsday. Was für Augen er macht. del#318Seine Lippen zittern. Er bohrt seine Augen in meine Stirn. Er ahntadd#344Dabei ahnt er noch gar nicht, daß ich nackt bin unter dem Mantel. del#319Lassen Sie mich fort, lassen Sie mich fort! Seine Augen glühen. Seine Augen drohen. Was wollen Sieadd#345 denn von mir? Sie del#320sind ein Schuft. del#321Keiner sieht mich als er. Sie hören zu. So kommen Sie doch, Herr von Dorsday! Merken Sie nichts? shift#147Feature: loud; New State: fshift#148Feature: voice; New State: emphasisadd#346Ah! Dort im Fauteuil — Herrgott, im Fauteuil — das ist ja der Filou!shift#149Feature: voice; New State: normalshift#150Feature: loud; New State: normal Himmel, ich danke dir. shift#151Feature: loud; New State: fEr ist wieder dashift#152Feature: loud; New State: normaldel#322, er ist wieder da! Er waradd#347 ja nur auf einer add#348BergTtour! Jetzt ist er wieder da. subst#312DerMein Römerkopf ist wieder da. Mein Bräutigam, mein Geliebter. del#323Aber eEr sieht michadd#349 noch gar nicht. Er subst#314solldarf mich auchadd#350 noch gar nicht sehen.shift#153Feature: loud; New State: fadd#351 Herr von Dorsday, Sie zuerst!shift#154Feature: loud; New State: normal Bitte. shift#155Feature: tempo; New State: lIch bin ganz ruhig. Ich lächle. Filou! Filou, ich rufe dich! Jetzt sollst du auch herschauen. shift#156Feature: loud; New State: fNacktshift#157Feature: loud; New State: normal steh’ ich da! del#324Was wollen Sie, Herr von Dorsday? Sie schauen mich an, als wenn ich Ihre Sklavin wäre. Ich bin nicht Ihre Sklavin. Fünfzigtausend! Bleibt es bei unserer Abmachung, Herr von Dorsday? Ich bin bereit. Da bin ich. Ich bin ganz ruhig. Ich lächle. Verstehen Sie meinen Blick? Sein Auge spricht zu mir: komm! Sein Auge spricht: ich will dich nackt sehen. Nun, du Schuft, ich bin ja nackt. Was willst du denn noch? Schick die Depesche ab... Sofort... Es rieselt durch meine Haut. Die Dame spielt weiter. Köstlich rieselt es durch meine Haut. Wie wundervoll ist es nackt zu sein. Die Dame spielt weiter, sie weiß nicht, was hier geschieht. Niemand weiß es. Keiner noch sieht mich. Filou, Filou! Nackt stehe ich da. Dorsday reißt die Augen auf. del#325Jetzt endlich glaubt er es. Der Filou subst#315stehtspringt auf. del#326Seine Augen leuchten. Du verstehst mich, schöner Jüngling. „Haha!“ Die Dame spielt nicht subst#316mehrweiter. subst#317DerMein Papa ist gerettet.shift#158Feature: tempo; New State: normal del#327Fünfzigtausend! Adresse bleibt Fiala! „Ha, ha, ha!“ Wer lacht denn da? Ich selber? „Ha, ha, ha!“ Was sind denn das für Gesichter um mich? „Ha, ha, ha!“ Zu dumm, daß ich lache. Ich will nicht lachen, ich will nicht. „Haha!“ ‐ „Else!“ ‐ Wer ruft Else? Das ist Paul. Er muß hinter mir sein. Ich spüre einen Luftzug über meinen nackten Rücken. Es saust in meinen Ohren. Vielleicht bin ich schon tot? Was wollen Sie, Herr von Dorsday? Warum sind Sie so groß und stürzen über mich her? „Ha, ha, ha!“
shift#159Feature: loud; New State: pWas habehab’ ich denn getan? Was habehab’ ichadd#352 denn getan? Was habehab’ ich getan? Ich fallefall’ um.add#353 Da lieg’ ich. del#328Alles ist vorbei. Warum ist denn keine Musik mehr? Ein Arm schlingt sich um meinen Nacken. Das ist Paul. Wo ist denn der Filou? Da lieg ich. „Ha, ha, ha!“ subst#322DerEin Mantel fliegt auf mich herab. del#329Und ich liege da. Die Leute halten mich für ohnmächtig. subst#323Nein,Aber ich bin nicht ohnmächtig. Ich bin bei vollem Bewußtsein. Ich bin hundertmal wach, ich bin tausendmal wach.shift#160Feature: loud; New State: normal del#330Ich muß nur immer lachen. „Ha, ha, ha!“ Jetzt haben Sie Ihren Willen, Herr von Dorsday, Sie müssen das Geld für Papa schicken. Sofort. „Haaaah!“ Ich will nicht schreien, und ich muß immer schreien. Warum muß ich denn schreien. ‐ Meine Augen sind zu. Niemand kann mich sehen. Papa ist gerettet. ‐ „Else!“ ‐ mod#23Das ist die Tante. ‐ „Else! Else!“shift#161Feature: loud; New State: f„Else! Else!“shift#162Feature: loud; New State: normal ‐ Das ist die Tante. ‐ shift#163Feature: loud; New State: f„add#354Was ist denn passiert? Ein Arzt, ein Arzt!“ ‐ „Geschwind zum Portier!“ ‐ „Was ist denn passiert?“ ‐ „Das ist jaadd#355 gar nicht möglich.“ ‐ „Das arme Kind.“shift#164Feature: loud; New State: normal ‐ Was reden subst#324siedie denn da? Was murmeln subst#325siedie denn da? del#331Ich bin kein armes Kind. Ich bin glücklich. Der Filou hat mich nackt gesehen. O, ich schäme mich so. Was habe ich getan? Nie wieder werde ich die Augen öffnen. ‐ „Bitte, die Türe schließen.“ ‐ Warum soll man die Türe schließen? Was für Gemurmel. Tausend Leute sind um mich. Sie halten mich alle für ohnmächtig. Ich bin nicht ohnmächtig. Ich träume nur. ‐ „Beruhigen Sie sich doch, gnädige Frau.“ ‐ „Ist schon um den Arzt geschickt?“ ‐ „Es ist ein Ohnmachtsanfall.“ ‐ Wie weit sie alle weg sind. Sie sprechen alle vom Cimone herunter. ‐ „Man kann sie doch nicht auf dem Boden liegen lassen.“ ‐ „Hier ist ein Plaid.“ ‐ „Eine Decke.“ ‐ „Decke oder Plaid, das ist ja gleichgültig.“ ‐ „Bitte doch um Ruhe.“ ‐ „Auf den Diwan.“ ‐ „Bitte doch endlich die Türe zu schließen.“ ‐ „Nicht so nervös sein, sie ist ja geschlossen.“ ‐ „Else! Else!“ ‐ Wenn die Tante nur endlich still wär! ‐ „Hörst du mich Else?“ ‐ „Du siehst doch, Mama, daß sie ohnmächtig ist.“ ‐ Ja, Gott sei Dank, für Euch bin ich ohnmächtig. Und ich bleibe auch ohnmächtig. ‐ „Wir müssen sie auf ihr Zimmer bringen.“ ‐ „Was ist denn da geschehen? Um Gottes willen!“ ‐ Cissy. Wie kommt denn Cissy auf die Wiese. Ach, es ist ja nicht die Wiese. ‐ „Else!“ ‐ shift#165Feature: pitch; New State: low„Bitte um Ruhe.“ ‐ „Bitte ein wenig zurückdel#332zutreten.add#356 Aber meine Herrschaften, bitte ein wenig zurücktreten.“shift#166Feature: pitch; New State: normal ‐ del#333Hände, Hände unter mir. Was wollen sie denn? Wie schwer ich bin. Pauls Hände. Fort, fort. Der Filou ist in meiner Nähe, ich spüre es. Und Dorsday ist fort. Man muß ihn suchen. Er darf sich nicht umbringen, ehe er die fünfzigtausend abgeschickt hat. Meine Herrschaften, er ist mir Geld schuldig. Verhaften Sie ihn. „Hast du eine Ahnung, von wem die Depesche war, Paul?“ ‐ „Guten Abend, meine Herrschaften.“ ‐ „Else, hörst du mich?“ ‐ „Lassen Sie sie doch, Frau Cissy.“ ‐ „Ach Paul.“ ‐ „Der Direktor sagt, es kann vier Stunden dauern, bis der Doktor da ist.“ ‐ „Sie sieht aus, als wenn sie schliefe.“ ‐ Ich liege auf dem Diwan, Paul hält meine Hand, er fühlt mir den Puls. Richtig, er ist ja Arzt. ‐ „Von Gefahr ist keine Rede, Mama. Ein — Anfall.“ ‐ „Keinen Tag länger bleibe ich im Hotel.“ ‐ „Bitte dich, Mama.“ ‐ „Morgen früh reisen wir ab.“ ‐ „Aber einfach über die Dienerschaftsstiege. Die Tragbahre wird sofort hier sein.“ ‐ Bahre? Bin ich nicht heute schon auf einer Bahre gelegen? War ich nicht schon tot? Muß ich denn noch einmal sterben? ‐ „Wollen Sie nicht dafür sorgen, Herr Direktor, daß die Leute sich endlich von der Türe entfernen.“ ‐ „Rege dich doch nicht auf, Mama.“ ‐ „Es ist eine Rücksichtslosigkeit von den Leuten.“ ‐ Warum flüstern sie denn alle? Wie in einem Sterbezimmer. Gleich wird die Bahre da sein. Mach’ auf das Tor, Herr Matador! ‐ „Der Gang ist frei.“ ‐ „Die Leute könnten doch wenigstens so viel Rücksicht haben.“ ‐ „Ich bitte dich, Mama, beruhige dich doch.“ ‐ „Bitte, gnädige Frau.“ ‐ „Wollen Sie sich nicht ein wenig meiner Mutter annehmen, Frau Cissy?“ ‐ Sie ist seine Geliebte, aber sie ist nicht so schön wie ich. Was ist denn schon wieder? Was geschieht denn da? subst#326SieDie bringen subst#327dieeine Bahre. Ich sehe subst#328esalles mit geschlossenen Augen. Das ist die Bahre, auf der sie die Verunglückten tragendel#334. Auf der ist auch der Doktor Zigmondi gelegen,subst#329 der, die vom Cimone abgestürzt subst#330istsind.del#335 Und jJetzt werdewerd’ ichadd#357 auch auf der Bahre liegen. Ich bin auch abgestürzt. del#336„Ha!“ Nein, ich will nicht noch einmal schreien. Sie flüstern. Wer beugt sich über meinen Kopf? Es riecht gut nach Zigaretten. Seine Hand ist unter meinem Kopf. Hände unter meinem Rücken, Hände unter meinen Beinen. Fort, fort, rührt mich nicht an. Ich bin ja nackt. Pfui, pfui. Was wollt Ihr denn? Laßt mich in Ruhe. Es war nur für Papa. ‐ „Bitte vorsichtig, so, langsam.“ ‐ „Der Plaid?“ ‐ „Ja, danke, Frau Cissy.“ ‐ Warum dankt er ihr? Was hat sie denn getan? Was geschiehtadd#358 denn da mit mir? shift#167Feature: tempo; New State: lAh,del#337 wie gut,del#338 wie gut. Ich schwebe. Ich schwebe. Ich schwebe hinüber. Man trägt mich, del#339man trägt mich, man trägt mich zu Grabe. del#340‐ „Aber mir sein das g’wohnt, Herr Doktor. Da sind schon Schwerere darauf gelegen. Im vorigen Herbst einmal zwei zugleich.“ ‐ „Pst, pst.“ ‐ „Vielleicht sind Sie so gut, vorauszugehen, Frau Cissy und sehen, ob in Elses Zimmer alles in Ordnung ist.“ ‐ Was hat Cissy in meinem Zimmer zu tun? Das Veronal, das Veronal! Wenn sie es nur nicht weggießen. Dann müßte ich mich doch zum Fenster hinunterstürzen. ‐ „Danke sehr, Herr Direktor, bemühen Sie sich nicht weiter.“ ‐ „Ich werde mir erlauben, später wieder nachzufragen.“ ‐ Die Treppe knarrt, die Träger haben schwere Bergstiefel. Wo sind meine Lackschuhe? Im Musikzimmer geblieben. Man wird sie stehlen. Ich habe sie der Agathe vermachen wollen. Fred kriegt meine Füllfeder. Sie tragen mich, sie tragen mich. Trauerzug. Wo ist Dorsday, der Mörder? Fort ist er. Auch der Filou ist fort. Er ist gleich wieder auf die Wanderschaft gegangen. Er ist nur zurückgekommen, um einmal meine weißen Brüste zu sehen. Und jetzt ist er wieder fort. Er geht einen schwindligen Weg zwischen Felsen und Abgrund; ‐ leb’ wohl, leb’ wohl. ‐add#359Die Treppe hinauf. Ich schwebedel#341, ich schwebe. mod#24Sie sollensSollen Ssie mich nur hinauftragen, immer weiter, bis zum Dach, bis zum Himmel. Das wärewär’ del#342so bequem.del#343 ‐ „Ich habe es ja kommen gesehen, Paul.“ ‐ Was hat die Tante kommen gesehen? ‐ „Schon die ganzen letzten Tage habe ich so etwas kommen gesehen. Sie ist überhaupt nicht normal. Sie muß natürlich in eine Anstalt.“ ‐ „Aber Mama, jetzt ist doch nicht der Moment davon zu reden.“ ‐ Anstalt —? Anstalt —?! ‐ „Du denkst doch nicht, Paul, daß ich in ein und demselben Coupé mit dieser Person nach Wien fahren werde. Da könnte man schöne Sachen erleben.“ ‐ „Es wird nicht das Geringste passieren, Mama. Ich garantiere dir, daß du keinerlei Ungelegenheiten haben wirst.“ ‐ „Wie kannst du das garantieren?“ ‐ Nein, Tante, du sollst keine Ungelegenheiten haben. Niemand wird Ungelegenheiten haben. Nicht einmal Herr von Dorsday. mod#25Wo sind wir denn? Wir bleiben stehen.Wir bleiben stehen. Wo sind wir dennadd#360 da?shift#168Feature: tempo; New State: normal del#344Wir sind im zweiten Stock. Ich werde blinzeln. Cissy steht in der Tür und spricht mit Paul. ‐ shift#169Feature: pitch; New State: low„subst#336Hieher bitte. So. So. Hier.Hier herein, meine Herren bitte, hier herein. del#345Danke. Rücken Sie die Bahre ganz nah ans Bett heran.add#360 Ausgezeichnet. Vielen Dank, meine Herren.“shift#170Feature: pitch; New State: normal ‐ del#346Sie heben die Bahre. Sie tragen mich. Wieadd#361 Ah gut. subst#337NunDa bin ichadd#362 ja wieder zu Hause. del#347Ah! ‐ „Danke. So, es ist schon recht. Bitte die Türe zu schließen. ‐ Wenn Sie so gut sein wollten mir zu helfen, Cissy.“ ‐ „O, mit Vergnügen, Herr Doktor.“ ‐ „Langsam, bitte. Hier, bitte, Cissy, fassen Sie sie an. Hier an den Beinen. Vorsichtig. Und dann — — Else — —? Hörst du mich, Else?“ ‐ Aber natürlich höre ich dich, Paul. Ich höre alles. Aber was geht Euch das an. Es ist ja so schön, ohnmächtig zu sein. Ach, macht, was Ihr wollt. ‐ „Paul!“ ‐ „Gnädige Frau?“ ‐ „Glaubst du wirklich, daß sie bewußtlos ist, Paul?“ ‐ Du? Sie sagt ihm du. Hab’ ich Euch erwischt! Du sagt sie ihm! ‐ „Ja, sie ist vollkommen bewußtlos. Das kommt nach solchen Anfällen gewöhnlich vor.“ ‐ „Nein, Paul, du bist zum Kranklachen, wenn du dich so erwachsen als Doktor benimmst.“ ‐ Hab’ ich Euch, Schwindelbande! Hab’ ich Euch? ‐ „Still, Cissy.“ ‐ „Warum denn, wenn sie nichts hört?!“ ‐ Was ist denn geschehen? Nackt liegelieg’ ich im Bett unter der Decke. Wie haben subst#339siedie dasadd#363 bloß gemacht? ‐ shift#171Feature: pitch; New State: high„Nun, wie geht’s? Besser?“shift#172Feature: pitch; New State: normal ‐ subst#340DasDa ist ja die Tanteadd#364 schon wieder. del#348Was will sie denn da? ‐ shift#173Feature: pitch; New State: high„Noch immer ohnmächtig?“shift#174Feature: pitch; New State: normal ‐ del#349Auf den Zehenspitzen schleicht sie heran. Sie soll zum Teufel gehen. Ich laß mich in keine Anstalt bringen. Ich bin nicht irrsinnig. ‐ „Kann man sie nicht zum Bewußtsein erwecken?“ ‐ shift#175Feature: pitch; New State: low„Sie wirdadd#365 sehr bald wieder zu sich kommen, Mama. Jetzt braucht sie nichts als Ruhe. Übrigens du auch, Mama. Möchtest du nicht schlafen gehen? Es besteht absolut keine Gefahr. Ich werde mod#26zusammen mit Frau Cissymit Frau Cissy zusammen bei Else Nachtwache halten.“shift#176Feature: pitch; New State: normal ‐ del#350„Jawohl, gnädige Frau, ich bin die Gardedame. Oder Else, wie man’s nimmt.“ ‐ Elendes Frauenzimmer. Ich liege hier ohnmächtig und sie macht Späße. ‐ „Und ich kann mich darauf verlassen, Paul,shift#177Feature: pitch; New State: highadd#366„Aber daß du mich wecken läßt, sobald der Arzt kommt?“shift#178Feature: pitch; New State: normal ‐ del#351„Aber Mama, der kommt nicht vor morgen früh.“ ‐ „Sie sieht aus, als wenn sie schliefe. Ihr Atem geht ganz ruhig.“ ‐ „Es ist ja auch eine Art von Schlaf, Mama.“ ‐ „Ich kann mich noch immer nicht fassen, Paul, ein solcher Skandal! ‐ Du wirst sehen, es kommt in die Zeitung!“ ‐ „Mama!“ ‐ „Aber sie kann doch nichts hören, wenn sie ohnmächtig ist. Wir reden doch ganz leise.“ ‐ „In diesem Zustand sind die Sinne manchmal unheimlich geschärft.“ ‐ „Sie haben einen so gelehrten Sohn, gnädige Frau.“ ‐ „Bitte dich, Mama, geh’ zu Bette.“ ‐ „Morgen reisen wir ab unter jeder Bedingung. Und in Bozen nehmen wir eine Wärterin für Else.“ ‐ Was? Eine Wärterin? Da werdet Ihr Euch aber täuschen. ‐ „Über all’ das reden wir morgen, Mama. Gute Nacht, Mama.“ ‐ „Ich will mir einen Tee aufs Zimmer bringen lassen und in einer Viertelstunde schau ich noch einmal her.“ ‐ „Das ist doch absolut nicht notwendig, Mama.“ ‐ Nein, notwendig ist es nicht. Du sollst überhaupt zum Teufel gehen. Wo ist das Veronal? Ich muß noch warten. shift#179Feature: loud; New State: psubst#341Sie begleitenPaul begleitet die Tante subst#342zur Türehinaus. del#352Jetzt sieht mich niemand. Auf dem Nachttisch muß es ja stehen, das Glas mit dem Veronal. Wenn ich es austrinke ist alles vorbei. Gleich werde ich es trinken. Die Tante ist fort. Paul und Cissy stehen noch an der Tür. Ha. Sie küßt ihn. Sie küßt ihn. Und ich liege nackt unter der Decke. Schämt Ihr Euch denn gar nicht? Sie küßt ihn wieder. Schämt Ihr Euch nicht? ‐ „Siehst du, Paul, jetzt weiß ich, daß sie ohnmächtig ist. Sonst wäre sie mir unbedingt an die Kehle gesprungen.“ ‐ „Möchtest du mir nicht den Gefallen tun und schweigen, Cissy?“ ‐ „Aber was willst du denn, Paul? Entweder ist sie wirklich bewußtlos. Dann hört und sieht sie nichts. Oder sie hält uns zum Narren. Dann geschieht ihr ganz recht.“ ‐ „Es hat geklopft, Cissy.“ ‐ „Mir kam es auch so vor.“ ‐ „Ich will leise aufmachen und sehen wer es ist. ‐ Guten Abend Herr von Dorsday.“ ‐ „Verzeihen Sie, ich wollte nur fragen, wie sich die Kranke“ ‐ Dorsday! Dorsday! Wagt er es wirklich? Alle Bestien sind losgelassen. Wo ist er denn? Ich höre sie flüstern vor der Tür. Paul und Dorsday. Cissy stellt sich vor den Spiegel hin. Was subst#343machenwollen Sieadd#367 denn vor subst#344demmeinem Spiegeldel#353 dort? Mein Spiegel ist subst#345esdas. Ist nichtadd#368 noch mein Bild del#354nochadd#369dort drin? del#355Was reden sie draußen vor der Tür, Paul und Dorsday? Ich fühle Cissys Blick. Vom Spiegel aus sieht sie zu mir her. Was will sie denn?add#370 Ich sehe alles mit geschlossenen Augen. Wie ist das nur möglich? subst#346Warum kommt sie denn näher?Sie kommt näher! add#371 Was will sie denn? Hilfe! Hilfe! Ich schreiedel#356 doch, und keiner hört mich. Was wollen Sieadd#372 denn an meinem Bettdel#357, Cissy?!shift#180Feature: loud; New State: normaldel#358 Warum beugen Sie sich herab? wollen Sie mich erwürgen? Ich kann mich nicht rühren. ‐ „Else!“ ‐ Was will sie denn? ‐ „Else! Hören Sie mich, Else?“ ‐ Ich höre, aber ich schweige. Ich bin ohnmächtig, ich muß schweigen. ‐ „Else, Sie haben unsdel#359 in einen schönen Schreck versetzt.del#360“ ‐ Sie spricht zu mir. Sie spricht zu mir, als wenn ich wach wäre. Was will sie denn? ‐ „ Wissen Sie, was Sie getan habendel#361, Else?del#362 Denken Sie, nNur mit dem Mantel bekleidet sind Sie ins Musikzimmer getreten, subst#348sindund plötzlich nackt dagestanden vor allen Leutendel#363 und. dDann sind Sie ohnmächtig subst#350hinumgefallen. Ein hysterischer Anfall wird behauptet. Ich glaube kein Wort davon. Ich glaube auch nicht, daß Sie bewußtlos sindadd#375, Else. Ich wette, Sie hören jedes Wort, das ichadd#376 zu Ihnen rede.“ ‐ shift#181Feature: loud; New State: pJa, ich höre, ja, ja, ja. Aber sie hört mein Ja nicht. del#364Warum denn nicht? Ich kann meine Lippen nicht bewegen. Darum hört sie mich nicht. Ich kann mich nicht rühren. Was ist denn mit mir? Bin ich tot? Bin ich scheintot? Träume ich? Wo ist das Veronal?add#377Sie soll hinausgehen. Ich subst#351möchtewill mein Veronal trinken.add#378 Sie soll hinausgehen. del#365Aber ich kann den Arm nicht ausstrecken. Gehen Sie fort, Cissy. Warum sind Sie über mich gebeugt? Fort, fort! Nie wird sie wissen, daß ich sie gehört habe. Niemand wird es je wissen. Nie wieder werde ich zu einem Menschen sprechen. Nie wache ich wieder auf. Sie geht zur Türe. Sie wendet sich noch einmal nach mir um. Sie öffnet die Türe. Dorsday! Dort steht er. Ich habe ihn gesehen mit geschlossenen Augen. Nein, ich sehe ihn wirklich. Ich habe ja die Augen offen. Die Türe ist angelehnt. Cissy ist auch draußen. Nun flüstern sie alle.add#379 Endlich geht sie zur Tür hinaus. Jetzt mod#27Ich binbin ich allein. del#366Wenn ich mich jetzt rühren könnte.
del#367Ha, ich kann ja, kann ja. Ich bewege die Hand, ich rege die Finger, ich strecke den Arm, ich sperre die Augen weit auf. Ich sehe, ich sehe. Da steht mein Glas. Geschwind, eheeh’ subst#353siedie wieder ins Zimmer kommen. del#368Sind es nur Pulver genug?! Nie wieder darf ich erwachen. Was ich zu tun hatte auf der Welt,add#380 das habehab’ ich getan. subst#355DerMein Papa ist gerettet. del#369Niemals könnte ich wieder unter Menschen gehen. Paul guckt durch die Türspalte herein. Er denkt, ich bin noch ohnmächtig. Er sieht nicht, daß ich den Arm beinahe schon ausgestreckt habe. Nun stehen sie wieder alle drei draußen vor der Tür, die Mörder! ‐ Alle sind sie Mörder. Dorsday und Cissy und Paul, auch Fred ist ein Mörder und die Mama ist eine Mörderin. Alle haben sie mich gemordet und machen sich nichts wissen. Sie hat sich selber umgebracht, werden sie sagen. Ihr habt mich umgebracht, Ihr Alle, Ihr Alle! Hab’ ich es endlich? Geschwind, geschwind! del#370Ich muß. Keinen Tropfen verschütten. del#371So. Geschwind. Es sSchmecktadd#381 sehr gut. del#372Weiter, weiter. Es istiIs’ gar kein Gift.add#382 Noch Nnie hat mir subst#360wasetwas so gut geschmeckt. Wenn Ihr wüßtet, wie gut der Tod schmeckt! shift#182Feature: voice; New State: emphasisshift#183Feature: voice; New State: normal Gute Nacht, mein Glas. Klirrdel#373, klirr! Was ist denn das? Auf dem Boden liegt das Glas. del#374Unten liegt es. Gute Nachtadd#383, mein Glas. ‐ mod#28„Else! Else!“ ‐ del#375Was wollt Ihr denn? ‐ „Else!“ ‐ add#384Ah, mod#28Sseid Ihr wieder dada Sseid Ihr wieder? Guten Morgen. Da lieg’ ich del#375bewußtlos mit geschlossenen Augen. Nie wieder sollt Ihr meine Augen sehen. ‐ „Sie muß sich bewegt haben, Paul, wie hätte mod#29es sonstsonst subst#363esdas Glas herunterfallen können?“ ‐ del#375„Eine unwillkürliche Bewegung, das wäre schon möglich.“ ‐ „Wenn sie nicht wach ist.“ ‐ „Was fällt dir ein, Cissy. Sieh sie doch nur an.“ ‐ Ich habe Veronal subst#364getrunkengenommen. Ich werde sterben.shift#184Feature: loud; New State: normalIch habe Veronal subst#365getrunkengenommen. Ich werde sterben. ‐ „Else! Else!“ ‐ del#375Was wollt Ihr denn? ‐ „Else!“ ‐ shift#185Feature: loud; New State: padd#384Ah, mod#30Seid Ihr wieder dada Sseid Ihr wieder? Guten Morgen. Da lieg’ ich del#375bewußtlos mit geschlossenen Augen. Nie wieder sollt Ihr meine Augen sehen.shift#186Feature: loud; New State: normal ‐ „Sie muß sich bewegt haben, Paul, wie hätte mod#31es sonstsonst subst#367esdas Glas herunterfallen können?del#375“ ‐ „Eine unwillkürliche Bewegung, das wäre schon möglich.“ ‐ „Wenn sie nicht wach ist.“ ‐ „Was fällt dir ein, Cissy. Sieh sie doch nur an.“ del#375Aber es ist geradeso wie vorher. Vielleicht war es nicht genug... Paul faßt meine Hand. ‐ „Der Puls geht ruhig. Lach’ doch nicht, Cissy. Das arme Kind.“ ‐ „Ob du mich auch ein armes Kind nennen würdest, wenn ich mich im Musikzimmer nackt hingestellt hätte?“ ‐ „Schweig’ doch, Cissy.“ ‐ „Ganz nach Belieben, mein Herr. Vielleicht soll ich mich entfernen, dich mit dem nackten Fräulein allein lassen. Ach bitte, geniere dich nicht. Tu’, als ob ich nicht da wäre.“ ‐ Ich habe Veronal getrunken. Es ist gut. Ich werde sterben. Gott sei Dank. ‐ „ Übrigens weißt du, was mir vorkommt. Daß dieser Herr von Dorsday in das nackte Fräuleinadd#385 hier verliebt ist. Er waradd#386 ja so erregt, als ginge ihn die Sache persönlich an.“ ‐ shift#187Feature: loud; New State: pDorsday, Dorsday! del#376Das ist ja der — Fünfzigtausend! Wird er sie abschicken? Um Gottes willen, wenn er sie nicht abschickt? Ich muß es ihnen sagen. Sie müssen ihn zwingen. Um Gottes willen, wenn alles umsonst gewesen ist? Aber jetzt kann man michadd#387 ja noch retten. Paul! Cissy! Warum hört Ihr mich denn nicht? del#377Wißt Ihr denn nicht, daß ich sterbe? Aber ich spüre nichts. Nur müde bin ich. Paul! Ich bin müde. Hörst du mich denn nicht? Ich bin müde, Paul. Ich shift#188Feature: voice; New State: emphasismod#33kann die Lippen nicht öffnen. del#378Ich kann die Zunge nicht bewegen,kKann die Zunge nicht bewegensubst#369,. del#378Ich kKann die Lippen nicht öffnensubst#371., aber ich binadd#388 doch noch nicht tot. Das ist das Veronal. del#378Wo seid Ihr denn? Gleich schlafe ich ein. Dann wird es zu spät sein! Ich höre sie gar nicht reden. Sie reden und ich weiß nicht was. Ihre Stimmen brausen so. So hilf mir doch, Paul! die Zunge ist mir so schwer. ‐ „Ich glaube, Cissy, daß sie bald erwachen wird. Es ist, als wenn sie sich schon mühte, die Augen zu öffnen. Aber Cissy, was tust du denn?“ ‐ „Nun, ich umarme dich. Warum denn nicht? Sie hat sich auch nicht geniert.“ ‐ Nein, ich habe mich nicht geniert. Nackt bin ich dagestanden vor allen Leuten. Wenn ich nur reden könnte, so würdet Ihr verstehen warum. shift#189Feature: voice; New State: sobPaul! Paul! del#379Ich will, daß Ihr mich hört. Ich habe Veronal subst#372getrunkengenommen, del#380Paul, zehn Pulver, hundertadd#389 Pulver. del#381Ich hab’ es nicht tun wollen. Ich war verrückt. Ich willadd#390 ja gar nicht sterben. Du sollst mich retten, Paul. Du bist ja subst#373DoktorArzt. del#382Rette mich! ‐ „Jetzt scheint sie wieder ganz ruhig geworden. Der Puls — der Puls ist ziemlich regelmäßig.“ ‐ Rette michadd#391 doch, Paul. del#383Ich beschwöre dich. Laß mich doch nicht sterben. Jetzt ist’s noch Zeit. Aber dann werde ich einschlafen und Ihr werdet es nicht wissen. Ich will nicht sterben. So rette mich doch. Es waradd#392 ja nur wegen Papa. Dorsday hat es verlangt. Paul! del#384Paul! ‐ „Schau mal her Cissy, scheint dir nicht, daß sie lächelt?“ ‐ „Wie sollte sie nicht lächeln, Paul, wenn du immerfort zärtlich ihre Hand hältst.“ ‐ Cissy, Cissy, was habe ich dir denn getan, daß du so böse zu mir bist. Behalte deinen Paul — aber laßt mich nicht sterben. Ich binadd#393 ja noch so jung. del#385Die Mama wird sich kränken. Ich willadd#394 ja noch auf viele Berge klettern. Ich will noch tanzen. Ich will subst#374auch einmaldoch heiraten. del#386Ich will noch reisen.shift#190Feature: voice; New State: normal Morgen machen wir die Partie auf den Cimone. del#387Morgen wird ein wunderschöner Tag sein. Der Filou soll mitkommen. Ich lade ihn ergebenst ein. Lauf’ ihm doch nach, Paul, er geht einen so schwindligen Weg. Er wird dem Papa begegnen. Adresse bleibt Fiala, vergiß nicht. Es sind nur fünfzigtausend, und dann ist alles in Ordnung. shift#191Feature: pitch; New State: highadd#395O, Dda marschieren sieadd#396 schon alle im Sträflingsgewand und singen. del#388Mach’ auf das Tor, Herr Matador! Das ist ja alles nur ein Traum. Da geht auch Fred mit dem heiseren Fräulein uUnd unter subst#377dem freienfreiem Himmel steht das Klavier. Der Klavierstimmer wohnt in der Bartensteinstraße, Mama!shift#192Feature: pitch; New State: normal add#397Ja, Wwarum hast du ihm denn nicht geschrieben, Kind? Du vergißt subst#379aberimmer alles. shift#193Feature: pitch; New State: lowSie subst#380solltenmüssen mehr Skalen üben, add#398Fräulein Else. Ein MädelMäderl subst#382mitvon dreizehn Jahren subst#383solltemuss fleißiger sein.shift#194Feature: pitch; New State: normal ‐ del#389Rudi war auf dem Maskenball und ist erst um acht Uhr früh nach Hause gekommen. shift#195Feature: pitch; New State: highWas hast du miradd#399 denn mitgebracht, Papa? Dreißigtausend Puppen. add#400Aber Papa, Dda brauch ichadd#401 ja ein eigenes Haus dazu.shift#196Feature: pitch; New State: normal del#390Aber sie können auch im Garten spazierengehen. Oder auf den Maskenball mit Rudi. Grüß dich Gott, Else. Ach Bertha, bist du wieder aus Neapel zurück? Ja, aus Sizilien. Erlaube, daß ich dir meinen Mann vorstelle, Else. Enchanté, Monsieur. ‐ shift#197Feature: pitch; New State: low„add#402Else! Else, hörst du michdel#391, Else? Ich bin es, Paul.“shift#198Feature: pitch; New State: normal ‐ del#392Haha, shift#199Feature: pitch; New State: highPaul. del#393Warum sitzest du denn auf der Giraffe im Ringelspiel? ‐ „Else, Else!“ ‐ So reit’ mir doch nicht davon. Du kannst mich doch nicht hören, wenn du so schnell durch die Hauptallee reitest. Du sollst mich ja retten.add#403 Paul, Iich habe Veronalica genommen. Das läuft mir über die Beine, rechts und links, wie Ameisen. del#394Ja, fFang’ ihn subst#387nurdoch, den Herrn von Dorsday. del#395Dort läuft er. Siehst du del#396ihn denn nicht? Da springt er über den Teich. Er hat ja den Papa umgebracht. del#397So lLauf’ ihm del#398doch nach. Ich laufe mit. Sie haben mir die Bahre auf den Rücken geschnallt, aber ich laufe mit. Meine Brüste zittern so. Aber ich laufe mit. add#404Wo — Wwo bist du denn, Paul? del#399Fred, wo bist du? Mama, wo bist Du? del#400Cissy? Warum laßt Ihr mich dennadd#405 so allein durch die Wüste laufen? Ich habe ja Angst so allein. Ich werdewerd’ lieber fliegen.shift#200Feature: tempo; New State: ladd#406 O, Iich habehab’ ja gewußt, daß ich fliegen kann.shift#201Feature: tempo; New State: normal
shift#202Feature: tempo; New State: normalshift#203Feature: pitch; New State: normal„Else!“...
„Else!“...
shift#204Feature: tempo; New State: lshift#205Feature: pitch; New State: highWo seid Ihrdel#401 denn? Ich hörehör’ Euch, aber ich seheseh’ Euch nicht.
shift#206Feature: tempo; New State: normalshift#207Feature: pitch; New State: normal„Else!“...
„Else!“...
„Else!“...
shift#208Feature: tempo; New State: lshift#209Feature: pitch; New State: highWas ist denn das? Ein ganzer Chor? subst#395UndEine Orgel auch? Ich singe mit. Was ist mod#34es denndenn subst#396esdas für ein Lied? Alle singen mit. Die Wälder auch und die Berge und die Sterne. Nie habehab’ ich mod#35etwas soso etwas Schönes gehört. Noch nie habehab’ ich mod#36eine soso eine helle Nacht gesehen. del#402Gib mir die Hand, Papa. Wir fliegen zusammen. So schön ist die Welt, wenn man fliegen kann. add#407Aber Kküss’ mir doch nicht die Handadd#408, Papa. Ich bin subst#400jadoch dein Kinddel#403, Papa.
shift#210Feature: tempo; New State: normalshift#211Feature: pitch; New State: normal„Else! Else!“
shift#212Feature: tempo; New State: llshift#213Feature: pitch; New State: highsubst#401SieDie rufen von so weit! Was wollt Ihr denn? Nicht weckenadd#409, bitte. Ich schlafe del#404ja so gut. del#405Morgen früh. Ich träume und fliege. Ich del#406fliege... fliege... fliege... schlafe ... del#407und träume... del#408und fliege...del#409 nicht wecken... morgen früh...
del#410„El...“
Ich fliege... del#411ich träume... ich schlafe... ich träu... träu — ichadd#411 fliege... flie......
shift#214Feature: voice; New State: normalshift#215Feature: pitch; New State: normalshift#216Feature: tempo; New State: normal